Cover des Buches Vogelfrau (ISBN: 9783899777611)
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Rezension zu Vogelfrau von Ulrike Blatter

Krimi mit Niveau

von Gwhynwhyfar vor 8 Jahren

Rezension

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Gwhynwhyfarvor 8 Jahren
»`Die Einsamkeit wütet tagtäglich gegen die Frauen, die eine Liebe verloren haben. Wenn man nicht aufpasst, gesellt sich der Irrsinn zum Drama hinzu?’, grübelte Madame Belle mit sanfter Stimme.»

Im Archäologischen Landesmuseum von Konstanz wird Professor Hoffmann tot aufgefunden, erschlagen mit einer historischen Steinaxt. Es gibt sogar einen Zeugen, Churchill, der Mops des Professors. Kommissar Bloch und sein Assistent Cenk haben es nicht einfach bei der Ermittlung, denn der egomane Professor war nicht besonders beliebt. Bald fällt auf, dass der Mann extrem erfolgreich war, da er überdurchschnittlich viele Funde vorweisen konnte. Der Weg führt in die Rechtsmedizin nach Zürich. Die letzte Arbeit von Hoffman befasste sich mit einer Hexenweihstätte, wo er mit einem Mumienfund Aufsehen erregte.

Hexen, indianische Riten, ein Feld das für die Ermittler immer verworrener wird. Cenk findet heraus, dass sich seit geraumer Zeit verschiedenen Gruppen am Bodensee niedergelassen haben, die nach indianischer Tradition und Ritus leben. Einer davon wohnt abseits mit seiner Familie, Adler, ein unzugänglicher Kautz.

Bloch wird währenddessen dauernd von seiner geschiedenen Frau angerufen. Die macht sich Sorgen, weil die gemeinsame Tochter nicht nach Hause gekommen ist. Bloch nimmt das nicht ernst, denn die Tochter ist erwachsen. Auch wenn sie Essstörungen hat, so sei es hysterisch, gleich nach ihr zu fahnden, wenn sie ein paar Nächte nicht im eigenen Bett schläft.

Mit Bloch hat Ulrike Blatter einen mundfaulen Charakter erschaffen, der eigenbrötlerisch mit Menschen ein wenig Schwierigkeiten hat. Er ist fleissig, gewissenhaft, mag keine Schwätzer. Auf der einen Seite hat er Achtung vor Cenk, der immer mitdenkt und die Drecksarbeit erledigt. Auf der anderen Seite behandelt er in schroff, da Menschen ihm an sich auf die Nerven gehen. Weil sich niemand um den Mops kümmern will, nimmt Bloch ihn mit nach Hause. Der brummige Kommissar wird nicht bei jedem Leser Sympathien hervorrufen. Mir hat er gefallen.

Ulrike Blatter ist Ärztin und hat in der Gerichtsmedizin gearbeitet. Das merkt man ihren Ausführungen an:
«Der Mediziner spreizte mit einer langbeinigen Pinzette die blutverkrustete Kopfschwarte, die sich leise knisternd dehnte.»

Ihre Beschreibungen von Menschen und Dingen sind fein beobachtet und detailgetreu. Dem Leser eröffnen sich Bilder im Kopf. Langsam tasten sich Bloch und Cenk an die Mordsache heran. Interessante Themen werden aufgearbeitet, Wissenschaftsbetrug, Rivalitäten in der Museumsbranche. Man mag meinen, wer in der Forschung steckt, ist nur daran interessiert, neue Entdeckungen zu machen, voll verschrieben der Naturwissenschaft. Weit gefehlt. Auch hier boxen Exzentriker sich gegenseitig an die Wand, Taschenspielertricks inklusive. Schamanen machen Geld mit der Gutgläubigkeit von Esoterikern. Da wird gebastelt was das Zeug hält, um es zu verkaufen. Traumfänger, Traumdeuter. Eine Nacht im Tipi ist teuer. Andere Schamanen überschätzen sich und experimentieren mit Riten, selbstsüchtig, spielen sie mit dem Leben von anderen. Oberflächlichkeit liegt der Autorin nicht, und das ist gut so. Fein spinnt sie ihr Netz, detailliert und gut beobachtet. Die Protagonisten eröffnen sich dem Leser und nicht alle sind sympathisch. Sie stehen bildlich vor dem Leser und man erfasst ihre Eigenarten, versteht, was sie vorantreibt.
Konstanzflair in nebelbehangener unterkühlter Atmosphäre, eine Lesetipp.
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