Rezension zu "Ein Engel für Mr. Darcy" von Ulrike Böhm
Rezension auf Buntes Tintenfässchen
Sowohl Klappentext als auch Titel lassen von Vornherein beim Leser keinen Zweifel, welcher Roman das Vorbild zu dieser Geschichte gewesen ist. Statt aber eine Eins-zu-Eins-Übertragung des "Stolz und Vorurteil"-Plots zu liefern, hat Ulrike Böhm sich einige Freiheiten herausgenommen und sowohl Persönlichkeitsmerkmale ihrer Akteure als auch Handlungsverläufe modifiziert. Dadurch hat sie etwas ganz Eigenes geschaffen, was mir persönlich eigentlich sehr lieb war. In der Tat fand ich die Verlagerung der zweihundert Jahre alten Liebesgeschichte in den Kontext der DDR bzw. der plötzlichen Wende sehr innovativ, da das definitiv vor ihr noch niemand gewagt hat. Dadurch kam bei mir etwas "Goodbye, Lenin!"-Feeling auf. Auch das ist prinzipiell nichts Schlechtes, nur erschien mir der Text dadurch etwas altbacken, was sich zum Teil auch in den Formulierungen widerspiegelt. Auch der politischen Aufladung der Gedanken und Dialoge stehe ich etwas kritisch gegenüber. Einerseits bringt das, wie gesagt, etwas frischen Wind in die Adaption und hebt sie von anderen ab und gibt interessante Einblicke in den DDR-Alltag bzw. die Ost-West-Kluft. Andererseits wirkte es manchmal einfach fehl am Platz und es kam mir so vor, ob die Autorin sich nicht entscheiden konnte, ob sie lieber einen Unterhaltungs- oder einen gesellschaftskritischen Roman verfassen wollte. Dieser Eindruck hat sich bei mir auch dadurch verstärkt, dass Wörter wie "Trabi" oder "Nudossi" kursiviert wurden - als wären es Fremdwörter, die man herausheben müsste. Mich persönlich hat das in meinem Lesefluss gestört.
Die Handlung selbst hat mich auch nicht gänzlich begeistern können. Manche Teile haben sich gezogen wie Kaugummi. Interessant wurde es für mich eigentlich erst, als Lisa ihre Reise nach England unternommen hat. Davor dümpelte die Story vor sich hin - zumindest hatte ich dieses Gefühl, obwohl eigentlich schon jede Menge passiert ist. Vielleicht lag es aber auch an meinem mangelnden Bezug zu den Charakteren an sich. Lisa ist zwar keine farblose, introvertierte Persönlichkeit, sondern legt Leidenschaft und Impulsivität an den Tag, aber eine Lizzie Bennet ist sie eben (leider) auch nicht. Statt mit Finesse, Zurückhaltung und schön verpackten Spitzfindigkeiten zu glänzen, fällt Lisa eher mit der Tür ins Haus.
Auch mit Simon Hadley-Ash hatte ich meine Problemchen. Eigentlich hat Ulrike Böhm den Darcy-Stil recht gut auf seine Person übertragen: er ist unfreundlich, hat oberflächlich betrachtet den emotionalen Tiefgang eines toten Fischs und kaschiert seine Arroganz nicht. Aber während man in Stolz und Vorurteil mit jeder Seite Darcys anderen, sensiblen Facetten kennengelernt hat, macht Simon meines Erachtens eine rasante 180-Grad-Wende, womit er nicht nur Lisa völlig überrumpelt hat, sondern auch mich. Es fiel mir daher schwer, an ihn als romantischen Helden zu akzeptieren. Wie gesagt, gibt es enorm viele Parallelen zu Jane Austens Bestseller, sodass man auch eine Vielzahl an mehr oder weniger relevanten Nebencharaktere präsentiert bekommt. Von diesen ist mir jedoch keine besonders ins Auge gefallen, weshalb ich auf sie nicht detaillierter eingehe.
Trotz all meiner Kritik gab es aber dennoch Momente, die ich durchaus amüsant fand. Deshalb glaube ich, dass ich Böhm Geschichte wohl anders eingeschätzt und mehr genossen hätte, wenn ich nicht automatisch Vergleiche zu Austens Romanen gezogen hätte.
Fazit
Könnte ich "Ein Engel für Mr. Darcy" von seinem Vorbild gedanklich separieren, würde es mir wohl besser gefallen. Da ich die beiden jedoch immer miteinander verglichen habe, war ich nur mäßig von der Geschichte und den Figuren begeistert. Wenngleich ich das neuartige Konzept (Verlagerung in die DDR bzw. Wendezeit) spannend und lobenswert finde, gab es einfach zu viele 'Stolpersteine'. Erst in der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte langsam an Fahrt auf, wenngleich sie mich nicht unbedingt in Atem gehalten hat.