Allen, die auch offen für etwas andere Bücher abseits des schnörkellosen Mainstream sind, möchte ich „Warnlaute vom Tag“ von Ulrike Ebert nahe legen. Oft kommen ihre Sätze lakonisch und scheinbar schnörkellos daher, und doch entsteht in der Summe ein bildreicher, poetischer Sog, dem man sich nicht entziehen kann. In drei Abschnitte gegliedert, lässt Ulrike Ebert den Leser in ein ganzes Leben eintauchen, das einem vor allem im ersten Teil, der einer 50er-Jahre-Kindheit gewidmet ist, nicht nur eine längst vergangene Welt zeigt, sondern auch, wie anders der Blick von Kindern auf die rätselhaft und widersprüchlich daherkommenden Dinge in der Erwachsenenwelt sind. Während man beim Klassiker „Oma schreit der Frieder“ eine rundum heile Welt vorfindet, die der lausbengelige Frieder mit seinen bunten Ideen auszuloten versucht und dabei von seiner Oma stets liebevoll in eine finale, harmonische Bahn gelenkt wird, erzählt Ulrike Ebert ein anderes, weniger idyllisches Kinderleben. Eines, in dem das Kind in all seiner Verspieltheit und Offenheit mit einer schwierigen Familienkonstellation klarkommen muss, mit einer Sehnsucht nach dem zumeist abwesenden Vater, und auch mit Erziehungsmaßnahmen, bei denen man aus heutiger Sicht nur den Kopf schütteln kann. Gerade weil Eberts Sprache, vor allem im ersten Teil des Buches, wie dahingeworfen wirkt, übt das Buch eine besondere Faszination aus, denn immer wieder werden Gedanken nicht geradeaus, sondern wunderbar von hinten durch die Tür gedacht: „In der Schule hat das Kind Gegenwart und Vergangenheit gelernt. Mit einem Sprachbuch, in welchem man die Texte umformen muss. Sogar in die Zukunft. Das Kind begreift sofort, dass es eine Vergangenheit hat. Die Vergangenheit ist der Vater, denn er ist nicht Gegenwart. Er ging, er wird gehen, das wäre dann Vergangenheit und Zukunft in einem. Andere Kinder haben Gegenwart, die sind anders.“
Im zweiten Teil die heranwachsende Frau, im dritten Teil der Blick der gealterten Frau, die in einem ebenso gealterten Haus voll unzähliger Erinnerungen lebt, und dabei nicht bloß in melancholischer Bestandsaufnahme zurückblickt, sondern auch mit humorvoller Freundlichkeit Dinge einordnet und „aufräumt“.
„Der Großmutter entfährt er als Erste. Jetzt überlegen beide, welchem Komponisten die Töne zuzuordnen seien. Mozart findet das Kind, Bach sagt die Großmutter. Bei den nächsten Pups-Tönen des Kindes einigen sich beide auf Beethoven, Schubert kommt nicht in Frage. Allenfalls Haydn.“
Ulrike Ebert „Warnlaute vom Tag“, 159 Seiten, ISBN: 978-3-933765-95-6, Drey Verlag