Es gibt nicht mehr viele AutorInnen, die so verdichtet und lakonisch schreiben können. Da sitzt jeder Begriff, und jedes Wort hat seine Bedeutung, vermutlich auch deswegen, weil die Autorin nach ihrer Lebenserfahrung ganz sicher weiß, was nötig ist, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Triggern des Kopfkinos mit schlanken, teilweise dürren Worten - das gelingt ihr eindrucksvoll und ist ein wohltuender Gegensatz zu anderen angesagten LiteratInnen, bei denen Geschwätzigkeit im Vordergrund zu stehen scheint. Vieles, was sie beschreibt, klingt autobiographisch - das macht sie in ihrem Werk häufiger, das machen eigentlich fast alle SchriftstellerInnen, aber selten liest sich das so unprätentiös, obwohl Ulrike Edschmid umständehalber Erlebnisse im Kopf haben muss, die für mehrere Leben und noch mehr Bücher reichen würden. Man kann dieses Buch langsam lesen, vor allem, weil auf den 188 Seiten etwa 40 Seiten Weißraum vorhanden sind. Dafür würde ich allein dem Verlag einen Stern abziehen wollen, der aus dieser Erzählung unbedingt einen "Roman" machen musste - Sachzwänge des Buchmarkts, für die die Autorin nichts kann. Davon abgesehen: Wer sich für literarisches Schreiben begeistert, dem sei dies Buch unbedingt empfohlen!
Ulrike Edschmid
Lebenslauf von Ulrike Edschmid
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Ulrike Edschmid
Das Verschwinden des Philip S.
Ein Mann, der fällt
Frau mit Waffe
Levys Testament
Die Liebhaber meiner Mutter
Neue Rezensionen zu Ulrike Edschmid
Rezension zu "Ein Mann, der fällt" von Ulrike Edschmid
Schon in ihrem 2013 erschienen Roman „Das Verschwinden des Philip S.“ hatte die 1940 geborene und in Berlin lebende Schriftstellerin Ulrike Edschmid ihr Vermögen unter Beweis gestellt, von den dramatischen Wendepunkten des Lebens zu erzählen und von den anderen Blick auf die Welt, den man erhält und lernt, wenn man mit solchen Krisen konfrontiert ist und sie bewältigen muss.
Auch wenn sie am Ende ihres neuen, kleinen Romans in einer Nachbemerkung betont, dass "keine Person, kein Ort und kein Geschehen mit der Wirklichkeit gleichzusetzen" sei, ist es doch eine wahre Geschichte , die sie da erzählt, und man geht nicht fehl in der Annahme, dass die Ich-Erzählerin starke autobiographische Züge trögt und Ulrike Edschmid das Erzählte in der einen oder anderen Form so erlebt hat.
Der Roman beschreibt die Geschichte einer Liebe, die, kaum hat sie begonnen, durch einen tragischen Unfall sich vor eine kaum vorstellbare Belastungsprobe gestellt sieht.
Als das frisch verliebte Paar im Jahr 1986 die erste gemeinsame Wohnung in Berlin renoviert, fällt der Mann beim Streichen von der Leiter und bleibt bewegungslos liegen. Er kann wie durch ein Wunder gerettet werden, doch fortan wird das gemeinsame Leben davon bestimmt sein, was die Beine des Mannes noch zu leisten imstande sind. Die Wohnung selbst bleibt Beobachtungsstation und Zufluchtsort, während draußen das Leben nicht nur immer schneller, sondern auch roher und gewalttätiger wird.
Ulrike Edschmid gelingt es in diesem Roman, auf nur 200 Seiten nicht nur die Geschichte eines Mannes zu beschrieben, der sich ins Leben zurückkämpft und einer Frau, die diesem Ziel ihr eigenes Leben unterordnet, sondern auch in einer literarisch gelungenen Verdichtung eine Stadt und die Veränderungen zu beschreiben, die sie wie kaum eine andere Stadt in diesem Zeitraum erfahren hat.
Die authentische Geschichte trifft in ihrer Reduktion und Verdichtung den Leser auf eine subtile Weise. Ohne dass er es zunächst merkt, wird er in das in diesem Buch erzählte und gelebte Leben verstrickt und kann es bis zum Ende nicht mehr aus der Hand legen.
Ein beeindruckender Roman, der es wert wäre, auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2017 gesetzt zu werden.
Rezension zu "Das Verschwinden des Philip S." von Ulrike Edschmid
Vom Schreibstil her nüchtern,zwischen den Zeilen jedoch mit einiger Emotionalität, beschreibt die Autorin ihre einstige Liebschaft zum schweizer Studenten Philip S. (in der Realität Werner Sauber), der sich Ende der 1960er Jahre immer mehr raddikalisiert und schließlich aktiv der RAF beitritt, bis er 1975 bei seiner missglückten Festnahme ums Leben kommt. Die autobiographischen Elemente rücken nicht allzu sehr in den Vordergrund, dem allmählichen Abgleiten des jungen Mannes in die Illegalität wird der meiste erzählerische Raum gewidmet. Die zunehmende Hilflosigkeit der Autorin, die immer größer werdende Entfremdung zwischen den Liebenden - dies allein lohnt schon das Lesen.
Sehr empfehlenswert!
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