Ich kannte bereits die traurige Geschichte der Herzogin Luise, da sie auch im meinem Buch - eher am Rande - vorkommt. Eine Leserin meines Buchs hatte mich auf dieses Buch aufmerksam gemacht. Ich war also sehr gespannt, was die Autorin aus dieser Geschichte macht - und war beeindruckt. Die Recherche muss viele Jahre in Anspruch genommen haben, vor allem die bislang unveröffentlichten Briefe, Berichte und Notizen aus den Archiven in Coburg, Gotha und Windsor. Und das bringt mich zum ersten Kritikpunkt: Auch wenn immer wieder aus diesen Quellen zitiert wird, kommt es häufiger vor, dass sie den Inhalt der Quellen nur in eigenen Worten nacherzählt. Wollte die Autorin den Leser nicht überfordern und nicht zu viele Texte - in altdeutscher Ausdrucksweise und Rechtschreibung - wortwörtlich wiedergeben? Ich für meinen Teil hätte mich brennend für die Originaltexte interessiert.
Durch die Nacherzählung in eigenen Worten leidet auch die Glaubwürdigkeit der Erzählung etwas, besonders wenn die Autorin die Erzählung mit anschaulichen Details ausschmückt, so wie beispielsweise Luise von ihrer Freundin Julie besucht wird:
"Wie sie dasitzt, in der linken Hand ein aufgeschlagenes Buch, das sie dicht vor ihren Augen führt, die rechte Hand entspannt auf dem Tisch abgelegt, auf dem sich ein ganzer Stapel weiteren Lesematerials aufgetürmt hat, erinnert sie sehr an ihre ungemein gebildete Urgroßmutter Luise Dorothea."
oder
"Die Tage vergehen quälend langsam. Der Winter umhüllt Schloss Friedenstein wie eine graue gläserne Glocke, die Geräusche vom Marktplatz unten in der Stadt dringen nur noch gedämpft herein. Luise sieht sich in ihrem Zimmer um, es kam ihr noch nie so abgewohnt und schäbig vor, wie jetzt – die ausgebleichten Vorhänge, die zerschlissenen Kissen auf den Sesseln, die staubigen Vorleger....."
War es so? Gibt es Belege dafür? Oder bildet sich die Autorin nur ein, es könne so gewesen sein? Solche anschauliche Passagen erhöhen natürlich die Lesbarkeit des Buchs, aber ein Historiker sollte klar trennen zwischen belegten Tatsachen und Produkte der Fantasie nach dem Motto: "so könnte es gewesen sein."
Die Erzählweise ist originell – sie beginnt mit dem Ende, und so ist fast das ganze Buch als Rückblende verfasst. Erst am Ende kommt man zum Anfang des Buchs zurück. So werden ja heute auch Filme oft aufgebaut. Und tatsächlich: Dieses Buch könnte das Drehbuch für einen erfolgreichen Film werden. Schon die historischen Fakten allein sind filmreif: Eine junge Prinzessin, die in jungen Jahren aus politischen Gründen mit dem Nachbarsfürsten verheiratet wird, von ihm vernachlässigt und betrogen wird, bis sie rebelliert und als Strafe ins Exil geschickt wird, geschieden wird, ihre Kinder nie wieder sieht und nach wenigen Jahren, erst Mitte 20, qualvoll an Krebs stirbt – und dank der ausgiebigen Recherche der Autorin liegen jetzt erstmals umfangreiche historische Quellen vor. Seltsam, dass eine menschlich so tragische und dramatische "wahre Geschichte" noch nicht verfilmt worden ist - und kaum bekannt ist. Das ist der große Verdienst dieses Buchs: diese tragische Geschichte in allen Details endlich erzählt zu haben.