Rezension zu "Fühl mal Schätzchen" von Ulrike Linnenbrink
Ich bin sicher, dieses Buch lässt keine Frau kalt, auch wenn das Thema „Gewalt in der Ehe“ heute sicher kein derartiges Tabu mehr in Deutschland ist wie zur Erstveröffentlichung im Jahr 1994. Ein heißes Thema ist es jedoch auf alle Fälle immer noch.
INHALT:
Lisas Ehe steckt in einer Krise. Seit ihr Mann arbeitslos wurde, trinkt er regelmäßig und reagiert sich dann an ihr mit Prügel und sexueller Gewalt ab. Lange versucht sie, vor den Kindern und Nachbarn den Schein zu wahren, doch irgendwann geht das nicht mehr. Lisa wehrt sich – mit schrecklichen Folgen.
MEINUNG:
Lisas Geschichte hat mich sehr berührt. Die Nähe zu den Lesern unterstreicht die Autorin zusätzlich durch die Ich-Form und das Präsenz des Textes. Dadurch entwickelt sich ein Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Ich habe verstanden, warum die Protagonistin so handelt, wie sie es tut, auch wenn sie mich immer wieder wütend gemacht hat. Wie kann sie sich so klein machen? Ganz offensichtlich hat die Geschichte bei mir einen Knopf gedrückt …
Gut gefallen hat mir, dass Ulrike Linnenbrink dabei nicht auf der Mitleidsmasche geritten ist. Sie lässt ihre Leser mitfühlen, aber eben nicht mitleiden.
Sprachlich liest sich der Roman sehr flüssig. Die Handlung ist logisch aufgebaut, und die Dramaturgie absolut stimmig. Auch die Figuren sind lebensecht angelegt. Ich konnte mich in die Geschichte fallen und mitreißen lassen.
Für mich persönlich war es eine schöne Reise in die Vergangenheit, bei der ich in das Leben Anfang der Neunziger Jahre eintauchen konnte. In Zeiten, zu denen es zum Beispiel noch keine Handys gab und man dann eben nicht erreichbar war, wenn gerade kein Festnetztelefon in der Nähe war.
WERTUNG:
„Fühl mal, Schätzchen“ ist ein emotionales Buch, sprachlich und inhaltlich sehr gut gemacht, das auch heute, nach genau zwanzig Jahren, noch bewegt und mitreißt. Für mich ist es genau aus diesem Grund auch ein wunderbares Dokument seiner Zeit. Dafür gibt es mein persönliches „Sehr gut“ und fünf Wertungspunkte.
Mein Fazit: Berührendes Porträt einer misshandelten Frau