Zwar zeugt dieser letzte Roman der verstorbenen Autorin Undine Grueenter von einer brilianten Intelligenz und einem gestochen Schaftsinn, denn man nur selten liest, aber er ist auch sehr handlungsarm, was das Lesen erschwert.
Der 60-jährige Soudain ("plötzlich") heiratet Equilibre ("Gleichgewicht"), Tochter aus gutem Hause, sie ist gerade erst 20 und hat keinen Beruf erlernt, beschäftigt sich mit den schönen Künsten, Klavier spielen, Lesen, Gäste unterhalten. Soudain ermöglicht beiden ein Leben ohne Sorgen, in einem Haus am Stadtrand von Paris mit wunderschönem Garten, der von beiden gestaltet wird. Im Laufe dieser Ehe wird es immer langweiliger. Ein Hund wird angeschafft, die junge Equilibre hat Phasen die man in der Literatur als hysterisch bezeichnen kann. Eines Tages kommt Besuch ins Haus in Form eines 40-jährigen Anwalts, Saint-Polar, der schlussendlich bei den beiden einzieht, sich in Equilibre verliebt und sie für sich haben will. Diese ist hin- und hergerissen, verbringt Zeit mit beiden Männern, es wird so getan als wäre würde alles so weitergehen wie bisher. Unverständlich das nicht-reagieren von Soudain, der den Dingen seinen Lauf lässt und doch verletzt zu sein schein. Er begreif seine Liebe zu Equilibre als "Entwurf", während die Liebe von Saint-Polar eher als "Passion" zu betrachten ist. Equilibre verschwindet eines Tages, verlässt beide Männer und möchte fortan ein selbstbestimmtes Leben führen und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Die große Freiheit, die ihr in der Ehe ermöglicht wurde den Tag so zu gestalten, wie sie es wünschte, entpuppte sich als Gefängnis für die junge Frau, aus dem sie selbst aber auch keine Anstrengungen unternimmt zu entfliehen. Soudain ist es durchaus bewusst, dass viele Freunde das Paares Berufe haben, selbstbestimmt leben und es für seine junge Frau auch das beste wäre, aber er begreif die Ehe als Experiment und es scheint ihm zu genügen, dass die beiden eine erfüllte Sexualität haben. Er wirkt wie ein Mann aus dem 19. Jahrhundert.
Trotz der aufkommenden Langeweile im Laufe der Lektüre, verdient dieses Buch die volle Punktzahl weil ein solch schöner Lesefluss eines philosophischen Textes eine Meisterleistung ist.
Undine Gruenter
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Undine Gruenter
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Vertreibung aus dem Labyrinth
Nachtblind
Das Versteck des Minotauros
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Neue Rezensionen zu Undine Gruenter
Die Geschichten von Undine Gruenter handeln von Liebe, nicht aber von erfülltem Glück, sondern von der Unnahbarkeit, von Hoffnungen, von Sehnsüchten. Es sind Ausschnitte aus dem Leben von Menschen, die auf der Suche nach Geborgenheit sind, sich nach der Erfüllung ihrer Wünsche sehnen und doch meist weit davon entfernt sind.
1. WIE WAR DER HIMMEL BLAU: Eine Frau versteckt sich davor, gebunden zu sein. Immer wieder flieht sie vor den Entscheidungen, im letzten Augenblick sagt sie ein Treffen ab oder erscheint nicht. Ihre Liebe zu einem Mann, der aus Vernunft eine Andere heiratete, sie ist noch immer groß, aber nun steht sie vor der Entscheidung, mit ihm einen lange ersehnten gemeinsamen Urlaub zu verbringen, da seine Frau und die Kinder ebenfalls verreist sind.
2. POSTKARTEN VOM MARCHÉ AUX PUCES: Das Sammeln alter Postkarten ist die einzige Freude, die das junge Mädchen scheinbar hat. Seitdem ihre Mutter von einer schweren Krankheit befallen und bettlägerig ist, muss sie sich um diese kümmern. Aber die kleine Wohnung lässt ihr nicht viele Freiheiten, alles, was sie tut, bekommt die Mutter mit. Wie soll sie sich ihrer Liebe George nähern, dem Jungen, der an den Samstagen im Antiquitätenladen seines Onkels aushilft, in dem sie ihre Karten kauft. So gerne würde sie mehr mit ihm reden, abends mit ihm und den Leuten aus der Schule ins Kino, aber sie muss schon bald wieder nach Hause, um die Mutter zu pflegen.
3. FONTAINE DE MÉDICIS: Hat die Frau eines Freundes ihm nun Andeutungen gemacht? Regelmäßig hat er ihr Geschenke mitgebracht, ganz unauffällige Dinge, etwas, das man mitbringt, wenn man zu Besuch kommt. Und doch waren seine Hintergedanken andere. Und nun hat sie ihm zugeflüstert, ihn abends im Park beim Brunnen zu treffen, dann, wenn niemand mehr dort ist, die meisten Menschen ihn schon verlassen haben, kurz vor Einbruch der Dunkelheit.
4. UNTER MILCHGLAS: Hier wird die Geschichte eines Universitätsprofessors erzählt, der sich nach langer Zeit zum ersten Mal verliebt, einem zurückgezogen lebendem Mann, der mit seiner Schwester zusammen in einer Wohnung lebt, nicht weit entfernt von der elterlichen. Diese Schwester hat ihn darum gebeten, der Tochter einer Freundin Nachhilfe zu geben. Seither ist er befangen von allem, was das junge Mädchen tut. Und doch ist er sich des Unsinns dieser Liebe vollkommen bewusst.
5. NACHTBLIND: Zufällig lernt ein Mann in einer Bar eine Frau kennen, die ihn interessiert. Sie ist Deutsche, ebenso wie er, so erzählt ihm die Wirtin. Und sie soll mit zwei Männern zusammenleben. Ein paar Tage später macht er ihre Bekanntschaft. Es stellt sich heraus, dass sie Malerin ist und tatsächlich mit zwei Männern eine Beziehung zu führen scheint, die aber nicht zu durchschauen ist. Ab und an wird er nun von diesem Dreiergespann zu Partys eingeladen, auf denen immer andere Leute erscheinen, als wären sie rein zufällige Statisten. Doch wirkliche Gespräche kann er mit ihr nur in der Bar führen.
6. DER TRAUM DER SPRACHE: Eine Frau ist beim Fensterputzen aus dem sechsten Stock gefallen. Eine andere liest dies in der Zeitung, macht sich Gedanken darüber und erzählt dies alles einem Fremden, den sie in einem Café kennen gelernt hat. Diesen scheinen ihre Erläuterungen und Nachforschungen um den Tod nicht so recht zu interessieren, aber dennoch zieht die Frau ihn mit ihren Reden in den Bann.
7. FLUCHT IN DIE WÄLDER: Die Geschichte von einer Frau, die die Liebe der Sache wegen lebt, nicht des Menschen. Daran verzweifelt der Geliebte, der doch austausch- und ersetzbar in ihren Augen zu sein scheint. Aber, was hat es mit ihrer Vergesslichkeit auf sich? Sie erzählt ihm von Geschehnissen, die sie erlebt hat – mit ihm gemeinsam erlebt hat.
8. SAND IN DEN AUGEN: Ein Traum wird war. Nach all den Jahren, in denen sie ihn nicht mehr gesehen hat, hat sie von einer alten Tante ein Haus am Meer geerbt, genau einen solchen Ort, an dem ihr Drehbuch spielen sollte. Gemeinsam mit dem Filmteam und den Schauspielern arbeiten sie an dem Projekt, aber sie merkt schon bald, dass sie die vergangene Zeit mit ihm nicht mehr zurückholen kann.
9. DAS BESETZE ZIMMER: Eine Frau ist verschwunden und das ganze Dorf rätselt über die Gründe. Niemand glaubt so recht an ein Verbrechen, auch wurde keine Leiche gefunden. Am Tisch eines Cafés erzählen die geschwätzigen Bauern dies einem Fremden, der aber doch kein Unbekannter zu sein scheint.
Es sind Geschichten voller Charme, voll von französischem Flair und alles in einer wunderbaren Sprache geschrieben. Wenn Undine Gruenter nicht so früh verstorben wäre, hätte sie bestimmt noch ein weit großartigeres Werk vorgelegt, als das, das leider in Deutschland schon vergessen zu sein scheint. Aber dennoch gehört sie mit ihrer verträumten und brillanten Art Geschichten zu erzählen, zu einer der ganz Großen!
Ihre Sprach erinnert sehr an die Bilder von Djuna Barnes, aber - programmatisch - vor allem an den französischen Symbolismus. Doch Vergleich hinkt: Es ist ihre Sprache, die mitzieht, die dunkel, verschwörerisch, störrisch bleibt, aber fasziniert.
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