Vermutlich hätte ich diese kurze Erzählung nicht gelesen, wenn mir ihr wirklicher Inhalt vorher klar gewesen wäre. Im Klappentext liest man von einer "beklemmenden Studie eines pubertierenden Mädchens auf dem Weg ins Erwachsensein". Einzig das Wort "beklemmend" stimmt davon. Es folgen dann noch weitere Sätze dieser Art, die den tatsächlichen Inhalt des Buches nicht wiedergeben.
Unica (eigentlich Nora Berta Ruth) Zürn litt in ihrem letzten Lebensjahrzehnt unter einer paranoiden Schizophrenie. Und in dieser Zeit entstand wohl auch "Dunkler Frühling". Zürn erzählt dort vermutlich Teile ihrer Kindheit aus der Sicht ihrer damaligen Gegenwart. Und sie nimmt ihr eigenes Ende vorweg. Wie das namenlose Mädchen aus ihrer Geschichte wird Zürn wenige Jahre später den gewollten Tod nach einem Fenstersturz finden.
Beklemmend wirkt nicht allein die trostlose Geschichte, sondern auch der sachliche Stil, in dem sie erzählt wird. Angeblich kann sich dieses Mädchen noch an den Geruch des Vaters erinnern, als es ihn kurz nach ihrer Geburt wahrnahm. Mit dieser eher unwahrscheinlichen Erinnerung beginnt die seltsame Beziehung des Mädchens zum anderen Geschlecht. Ihre Mutter schildert die Erzählerin als fett und unansehnlich, lieblos und auf der Suche nach Männern, vielleicht gerade deshalb, weil der Vater nur selten anwesend war.
Was mich an dieser Geschichte am meisten irritiert hat, ist die Fixierung auf "den Mann" und seine Sexualität, die in das kleine Mädchen projiziert werden. Tatsächliche Begegnungen hatte es nur zu seinem Bruder, von dem es geschändet wird. Alles andere sind Träume, von denen die Zwölfjährige weiß, dass sie niemals in Erfüllung gehen werden. Nichts besitzt Sinn und Hoffnung. Als sie in den Tod springt, klingt leises Bedauern mit. Und dann folgt: "Sie fällt auf den Kopf und bricht sich den Hals. Der erste, der sie findet, ist der Hund. Er steckt den Kopf zwischen ihre Beine und beginnt sie zu lecken."
Wenn man will, kann man in diese Geschichte alles Mögliche hineininterpretieren. Beispielsweise auch den Gemütszustand der Autorin als sie sie schrieb. Aber offenbar ist das ein Tabu. In meiner Wahrnehmung handelt es sich hier keineswegs um die Beschreibung von Zuständen und Empfindungen eines normal pubertierenden Mädchens, sondern eher um den Ausfluss eines schon kranken Geistes, der seine mögliche Vergangenheit in seinem Sinne uminterpretiert.
Bekenntnisse eines verwirrten Geistes