Einziger Kritikpunkt: das ist nicht von Urs Böke, sondern von Jerk Götterwind, Markus Hinzen, Jörg Herbig und Urs Böke.
Vier junge (naja) Dichter, die sich in diesem Buch versammelt haben, um uns ihre Texte um die Ohren zu hauen. Und anders als bei den Poetry Slammern haben diese Vier etwas zu sagen und eine verdammt gute Schreibe, um dies auch rüberzubringen.
Wer Lyrik gepaart mit Zorn, Ironie und Liebe mag ist bei diesem Buch gut bedient.
Urs Böke
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Urs Böke
Wir kamen in Frieden
Maulhure No. 1
Kaleidoskopidschi
Maulhure Nummer 2
Das Land gefährden
Neue Rezensionen zu Urs Böke
herausgegeben von Urs Böke, Hermann Borgerding, Jerk Götterwind
Edition Paperone Leipzig 2010
Doch, es gibt sie noch, die kritische Subkultur, die nicht nach hohlem Starkult lechzt, sondern bei der es um Inhalte geht. Die an die Kraft der Kunst glaubt und die Kunst nicht nur als Neurosenträger mißbraucht.
Hier sind sie alle versammelt. Jürgen Ploog, Ira Cohen, auch Hadayatullah, der kürzlich erst von uns ging, zusammen mit den Rebellen der jüngeren Generation: Florian Günther, Urs Böke, Jerk Götterwind, Roland Adelmann und diverse mehr. Das Cover stammt von Jenz, der jährlich mit seinem INSIDE ARTZINE im grafischen Bereich abdeckt, was die Dichter mit Worten umschreiben.
Qualität. Man kriegt sie so selten zu Gesicht. Bei den Ego-Schauen auf Facebook und MySpace, bei den Lesebühnen, Lesezirkeln und Käseblättern kommt sie so gut wie gar nie vor. „Subkultur“, sagte ein Lesebühnen- und Heftlesdichter mal, „ist doch eh nur das, was bei Rowohlt und Suhrkamp nicht reinkommt, weil es zu schlecht ist.“ HELs Spruch „wer nix taugt als unkrautvernichter / wird dichter“ schien mir zeitweise wirklich wortwörtlich zuzutreffen, ohne jede Ironie: viele „Dichter“, die ich kennenlernte, waren die größten Deppen weit und breit, hochneurotisch, mimosenhaft, selbstverliebt, minderbegabt und vor allem: vom Schreiben keine Ahnung und zum Schreiben keine Beziehung. Wenn die Äußerlichkeiten zum Aufnahmekriterium werden, gibt es keine Inhalte mehr. Wenn jeder Alkoholiker und Stützi Dichter sein kann dadurch, daß er Alkoholiker und Stützi ist, dann dünnt die Suppe aus.
Es gibt tatsächlich wenige Autoren und Organe, bei denen ich Glühen spüre. Biby Wintjes ist tot, Bruno Runzheimer auch, Hadayatullah auch. In Thomas Collmers ROLLERCOASTER glüht es, in Axel Montes RUDE LOOK, in der Berliner „Floppy Myriapoda“ glüht es nicht wirklich, auch „Libus“ war nur Fake, und die „Luftruinen“ sind manchmal auch noch nicht mehr als ein Organ für Lesebühnis, die probieren wollen, ob sie außer lesen auch schreiben können. Und auch aus Leipzig kommt nichts mehr – Frank Brökers HÄRTER wurde immer weicher, seit es zum „Haus aus Stein“ wurde und es nur noch um den Placebo-Barden Pratajev geht.
Aber Bökes MAULhURE glüht. Diese Gedichte und Prosetten sind nicht zu schlecht für Rowohlt und Konsorten, sondern zu gut. Zu ehrlich. Zu direkt. Zu offen. Die Dichter sind keine jungen Spunde mehr, sie müssen weder sich noch dem Leser etwas vormachen. Der frühe Social Beat war ja auch deshalb oft so banal und prätentiös, da man das Gefühl hatte, man müsse nur möglichst viel Sex und Suff in den Zeilen unterbringen und den Macker raushängen, und schon wäre es ein Gedicht. Von derlei Affereien hier keine Spur – na gut, bis vielleicht auf „Bettfedern“ von Hartmuth Malorny. Aber sonst – Hermann Borgerdings Menschlichkeit rührt einen bis ins Mark, genauso Jörg Herbig. Jerk Götterwind schreibt über Behörden und über eine verquaste Künstlertussi, und da ist überall ein Glimmen zwischen den Worten. Und Florian Günther reflektiert über verflossene Frauen, über Janis Joplin und Arthur Rimbaud, und, Günther: es geht nicht darum, aufhören zu schreiben. Auch Rimbaud hat ja nicht aufgehört zu schreiben. Er hat nur aufgehört, sich in den Schickimicki-Dichterzirkeln in Paris herumzutreiben und zu veröffentlichen. Verstummt ist er nie.
Und ich bin froh, daß auch die MAULhURE nicht verstummt ist.
Die Subkultur ist zäh. Jedenfalls die echte. Sie übersteht Krebs, Entzugskuren, Nervenzusammenbrüche und falsche Propheten. Sie wird reifer, sie wird humorvoller, sie kann grinsen, sie ist gelassener. Aber sie ist nicht totzukriegen.
Sie glüht, ja. Die Asche ist warm. Und das tut gut.
Ní Gudix, 21.1.11
Inhalt:
37 Gedichte mit einem Vorwort von Alexander Scholz
Meinung:
Wow, ich habe gerade voll einen gezogen bekommen, als ich an die einzige nicht isolierte Stelle an der Lampe gefasst habe. Um mich und mein Herz zu beruhigen, schnappe ich mir Bökes Gedichtband „Das Land gefährden“ und gebe mir einmal mehr die Texte von Herrn Böke, den ich nun auch schon fast 20 Jahre postalisch kenne.
Ich glaube, dass dieser Band das erste Mal 2002 erschienen ist. Was auffällt ist, dass Herr Böke heute vielschichtiger schreibt, fast möchte ich sagen, bedachter, aber dieses Wort will mir nicht über die Lippen. Also bleiben wir bei vielschichtiger.
Interessant ist es, wenn man sich selber in den Texten erkennt, wie z.B. bei „Streckenposten“, wenn die Angst vor den Schmerzen beim Aufprall mit dem Zug, einen Suizid auf den Gleisen verhindert.
Der Abschluss der meisten Texte ist vorwiegend ein Schlag in die Magengruben und auch fast immer gekonnt auf Punkt kommend. Lässig fast: „Die meisten von euch/können mir gestohlen bleiben/was mich allein interessiert/sind eure Gedichte.“ (Mal wieder kein Anschluss) oder: „Als der Tag dann geht, lösen wir die Spannung./Im Fernsehen werden wir Zeugen des Alltags./Ich weiß von nichts und buchstabiere Erlösung./Diese Welt lebt in mir. Nicht andersrum.“ (Beute für die Ewigkeit).
Dabei reibt er auch das ein oder andere Mal richtig viel Salz in offen liegende Wunden. Und ich weiß ganz genau, dass er dabei lächelt. Ein bitteres Lächeln zwar, aber ein Lächeln.
Auch nach 9 Jahren haben seine Texte Kraft. Der Inhalt von so manchen Stauderflaschen ist in dieser Zeit die durstige Kehle hinunter geflossen und Böke sitzt immer noch vor der Maschine, hackt Wort für Wort in die Tastatur und erwartet nichts.
Lyrik kann mehr sein als das, was uns in Schulen, Universitäten und Literaturzirkeln als Gedichte verkauft wird. Urs Böke beweist es.
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