Ursula Cerha

 4,3 Sterne bei 3 Bewertungen

Lebenslauf

Ursula Cerha, geborene Kaser wurde in Wien geboren wo sie auch heute lebt. Seit 2012 beschäftigt sie sich mit 200 Jahren Geschichte der russischen Familie Kign, der Familie ihrer Mutter. Von der Autorin bisher erschienen: „Ewald Balser – Theater das berührt, verführt und verändert“

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Es ist uns alles nur geliehen (ISBN: 9783850523769)

Es ist uns alles nur geliehen

(3)
Erschienen am 12.02.2019

Neue Rezensionen zu Ursula Cerha

Cover des Buches Es ist uns alles nur geliehen (ISBN: 9783850523769)
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Rezension zu "Es ist uns alles nur geliehen" von Ursula Cerha

awogfli
Krieg und Frieden beim weißrussischen Landadel

Die Chronik der Familie Kign aus Weißrussland ist zwar vom Plot her nicht besonders außergewöhlich innovativ konzipiert, sondern eine ganz normale Familienbiografie, und auch die Sprachfabulierkunst hat mich nicht unbedingt vom Hocker gerissen, dennoch ist sie einzigartig und empfehlenswert, da sie ziemlich genial in historische Ereignisse vor allem zur Zeit der russischen Revolution eingebettet ist und so en passant ein paar historische Details enthüllt, die wir in der Schule mehr oder weniger schon gelernt, aber nie so betrachtet haben.

Die Story aus Weißrussland beginnt in Österreich und rollt die Familienchronik über mehrere Generationen in Rückblenden auf. Die Kigns, väterlicherseits ein bisschen deutschstämmig, zählen zum russischen Landadel, sind aber wesentlich bodenständiger als Dostojewskis nutzlos philosophierende, hedonistische, ohne Geld kaum lebensfähige und mit dem Schicksal hadernde todunglückliche Figuren. Sie arbeiten und organisieren die Landgüter, kümmern sich recht fair um die freien Bauern und Angestellten, leben, lieben und leiden wie andere auch, aber nicht so dramatisch und mäandernde Sprache absondernd wie beim Altmeister der russischen Dichtung. Die Kigns sind fleißig, arbeiten selbst, machen sich die Hände schmutzig, haben unternehmerisches und politisches Talent und sind geerdet. Sie sind gegen den Autokratismus des neuen Zaren Nikolaus eingestellt, für die parlamentarische Monarchie und treiben die lokale Selbstverwaltung der Bauern im Rahmen von Semstwos voran. Der jüngere Sohn Alexej mit dem unternehmerischen Händchen und dem Talent für Lokalpolitik übernimmt den Bauernhof, Vladimir sein älterer Bruder ist als Journalist, Dichter, Richter und Revisor tätig. Mit 19 Jahren muss Alexejs Sohn Dimitri das Gut und die Unternehmen übernehmen, da sein Vater bei einem Unfall stirbt.

Dann kommen dem gemächlichen Fluss der Familiengeschichte zuerst der erste Weltkrieg und anschließend die Russische Revolution in die Quere. Sehr klar werden die wirklichen Motive Lenins und der gewaltbereiten Kader der Bolschewiken dargelegt, die nur auf Zerstörung aus waren. Selbst der ursprüngliche Sympathisant Gorki musste letztendlich erkennen:

Russland bedeutete dem „Weltverbesserer“ Lenin nichts, es war bloß ein Experimentierfeld für seine geplante Weltrevolution. Und: Für diese Utopie opfern die Bolschewiki das ganze Land. Mit tausenden von Leben und Strömen von Blut muss das Volk für deren Verbrechen bezahlen.

Dies ging sogar so weit, dass die Bolschewiki unbedingt eine Situation von Armut, Hunger und Verwirrung stiften mussten. Sie nahmen den Bauern nicht nur alle Lebensmittel ab, sondern auch das Saatgut, brannten die Häuser nieder, plünderten und verwüsteten die Felder, um eine Hungerkatastrophe zu provozieren.

Da verwundert es nicht, dass die Feinde, Österreicher und Deutsche, die auch zwischenzeitlich in Weißrussland einmarschierten, aber an der Effizienz der Landwirtschaft als Kornlieferant interessiert waren, wie Freunde empfangen wurden, da sie die ansässige Bevölkerung von Gräueltaten verschonten.

Es ist schrecklich und eine Schande, dass wir unsere Feinde wie Befreier erwarten.

So schlägt sich die Familie durch die Wirren der Revolution, wird von Schicksalschlägen heimgesucht, versucht mit Mut, Verhandlungsgeschick, Klugheit, Sturheit zu überleben und irgendwie zusammenzubleiben (oft auch vergeblich) und die Überlebenskünstler unter ihnen wandern von 1924 – 1926 allmählich nach Österreich aus.

Ursula Cerha hat für dieses Buch genaue Recherchen in den Archiven von St. Petersburg und Minsk unternommen, die historischen Ereignisse, sowohl die großen politischen Umbrüche, als auch die kleinen lokalpolitischen Fakten sind also in keinster Weise fiktiv. Schade ist eigentlich, dass die Familienchronik mit den ausgewanderten Schwestern endet und keinen Bezug bis in die Gegenwart zur Autorin und ihrer Familie mütterlicherseits herstellt (dies erfährt der Leser nur aus dem Klappentext). Da bleibt dann eine Lücke, quasi ein schwarzes Loch im Familienstammbaum. Es ist, als würde sich die Autorin als Erzählerin von ihrer eigenen Vergangenheit distanzieren, sie versucht sich fälschlich, als anonyme unbeteiligte Beobachterin zu installieren, indem sie alle Verbindungen kappt. Hier fehlt mir persönlich einfach der wesentliche Bezug.

Leider muss ich auch das Lektorat des Verlages kritisieren. Ich suche nicht wirklich nach Fehlern, und Ihr mögt mich vielleicht für einen orthografiezwangsgestörten Monk halten, aber mehr als zwei Fehler, die mir ins Auge springen, sind einfach zu viel. Umbruchfehler die am Satzanfang ein Wort stehenlassen, Wörter mit fehlenden Buchstaben am Satzanfang … da verlange ich in einer popeligen Masterthese mit der Auflage von 5 Stück mehr Genauigkeit, als der Verlag an den Tag legt.

Fazit: Lesenswert! Eine gute solide Familiengeschichte mit großartigen historischen Bezügen zu einem Land und einer Revolution, von der zumindest ich noch nicht so viele Details gehört habe.

Cover des Buches Es ist uns alles nur geliehen (ISBN: 9783850523769)
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Rezension zu "Es ist uns alles nur geliehen" von Ursula Cerha

Sikal
Wie das Leben eben so spielen kann

Die Autorin Ursula Cerha beschäftigt sich seit Jahren mit der 200-jährigen Geschichte der russischen Familie Kign, der Familie ihrer Mutter. Sie hat für dieses Buch in den Archiven von St. Petersburg und Minsk recherchiert und kann mit „Es ist uns alles nur geliehen“ ein spannendes Ergebnis präsentieren.

 

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil (1812 – 1893) erzählt die Anfänge auf dem Familiensitz Dedlovo und dem wirtschaftlichen Fortschritt. Es fällt auf, dass auch die Bediensteten und die Dorfgemeinschaft die Gutsherren Elisabeta und Ludwig wertschätzen, die sich nicht zu schade sind, um für den Dienst der guten Sache auch ungewöhnliche Aufgaben zu übernehmen. Während Ludwig den ökonomischen Status des Gutes im Blick hat, ist Elisabeta für die sozialen Belange zuständig, achtet auf Bildung und Gesundheitsversorgung. Zwischendurch erfährt man immer wieder über die politischen Begebenheiten im fernen Moskau, wobei diese die Gutsfamilie zwar mit Interesse aufnehmen, sich aber nicht so sehr davon berühren lassen.

 

Der zweite Teil (1894 – 1913) beschäftigt sich mit den nächsten Generationen der Kigns, mit der Veränderung der Gesellschaft und der Erkenntnis wie nahe Freud und Leid beieinanderliegen. Ebenfalls werden Einblicke in das Leben der letzten Zarenfamilie gewährt. Die Bewohner von Gut Dedlovo sorgen sich auch um den kranken Zarewitsch, während man aber in der eigenen Familie ebenfalls von einigen tragischen Ereignissen nicht verschont bleibt.

 

Im dritten Teil (1913 – 1943) erfährt man von der Zeit während des Ersten Weltkrieges, von dem Aufstreben der Bolschewiken, von der Angst der Adeligen, die nun plötzlich zu aller Feind wurden. Aber auch von den Nachkriegsjahren, über die Trennung der Kinder von ihren Eltern, vom unglücklichen Wiedersehen in Österreich. Immer wieder verwoben mit den politischen Veränderungen.

 

Die Autorin beschreibt hier ein Leben, in dem alles eben nur geliehen ist – erst der Aufschwung, der Wohlstand, aber auch der Verlust von materiellen und immateriellen Dingen, die das Leben so plötzlich verändern können.

 

Gut gefallen hat mir, dass die Familie und ihre Bediensteten irgendwie an einem Strang gezogen haben. Allen war die Bewirtschaftung und das Wohl des Gutes wichtig, genau davon konnten alle gut leben. Und hier sticht die Familie Kign ein wenig hervor – es scheint für alle zu passen und die adelige Familie die Untertanen und Bediensteten nicht ausgebeutet zu haben.

 

Ergänzend findet sich im Buch auch ein Stammbaum, den man immer wieder zu Hilfe ziehen kann, wenn die Namen durcheinander kommen. Und auch einige Fotos sind enthalten, sowie eine Karte vom zaristischen Russland.

 

Der etwas andere Blick auf Russland hat mir gut gefallen und ich habe die Geschichte rund um die Familie Kign sehr gerne gelesen. Daher gibt es von mir auch 5 Sterne.

 

Cover des Buches Es ist uns alles nur geliehen (ISBN: 9783850523769)
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Rezension zu "Es ist uns alles nur geliehen" von Ursula Cerha

Bellis-Perennis
Die Geschichte einer russischen Familie

Die Autorin Ursula Cerha heftet sich mit dieser Familiengeschichte auf die Spuren ihrer mütterlichen Vorfahren. Sie lässt uns eintauchen in die Welt des zaristischen Russlands und seiner Entwicklungen bis hin zum Zweiten Weltkrieg. 

Wir begeben uns auf die Reise in das 19. Jahrhundert, auf das Gut Dedlovo (heute Weißrussland), dem Familiensitz derer von Kign. Den Bauern der großen Gutes scheint es scheint es ein wenig besser zu gehen als andern. Was vor allem dem fortschrittlichen Denken einer Reihe von Gutsherren zu verdanken ist. So ist das Dorf weitgehend autark. Es gibt eine Ziegelbrennerei, eine Textilmanufaktur und die Landwirtschaft. Die jeweiligen Gutsherrinnen achten auf Schulbesuch und Religiosität. Man ist mit jüdischen Händlern und anderen Gutsbesitzern sowie Dichtern und Denkern wie Anton Tschechow befreundet. Man ist fernab von Moskau und St. Petersburg. Regierungskrisen und/oder politische Stürme bekommen die Bewohner Dedlovos nur mit mehrtägiger Verspätung mit. Selbst der plötzliche Tod Zar Alexander III. wird irgendwie „schaumgebremst“ erlebt. Russland ist groß und der Zar ist weit. Dank moderner Kommunikation wie Telegraf und Telefon rücken Zar Nikolaus II. und seine Familie näher. Man nimmt Anteil an der Sorge um den Zarewitsch, hält aber wenig von Nikolaus‘ Regierungsgeschäften.  

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der Verwalterfamilie Pitkievich, die den Kigns seit Generationen treu, loyal und hilfreich zur Seite steht. 

Die scheinbare Idylle nimmt mit dem Ausbruch der sozialen Unruhen, dem Ersten Weltkrieg und späteren Revolution(en) ein jähes Ende. Die Familie erlebt einen Schicksalsschlag nach dem anderen. Einige Mitglieder können fliehen und in Bad Deutschaltenburg (Niederösterreich) ein neues Zuhause finden. 

Meine Meinung: 

Ursula Cerha ist es gelungen, ihre Familiengeschichte aus dem Dornröschenschlaf der Geschichte zu holen. In eindrucksvollen Worten schildert sie den Alltag der russischen Adeligen und ihrer Untertanen. Anders als üblich, scheint die Familie Kign wenig von barbarischen Strafen zu halten und behandelt die Menschen, die in ihrem Einflussbereich leben, fortschrittlich. Die Arbeit in der Landwirtschaft ist hart, noch eher manuell als mittels Maschinen.

Natürlich müssen Abgaben und Steuern bezahlt werden, doch hat der Leser den Eindruck, dass nichts Unmenschliches verlangt würde. Das ändert sich erst als der Zar gestürzt und die Bolschewiki an die Macht kommen. Der Bürgerkrieg „Rote“ gegen „Weiße“ artet in unvorstellbaren Terror aus. Dennoch verstecken einige Bauern (unter Einsatz des eigenen Lebens) die adeligen Kinder. Während es dem Kindermädchen Wanda gelingt, die beiden Mädchen zu retten, verschwindet Alexeji in einem staatlichen Waisenhaus und wird einer Gehirnwäsche unterzogen. Eine später mögliche Familienzusammenführung lehnt der Vater ab. Vielleicht aus Angst? 

Beachtenswert ist die aufwändige Recherche der Autorin in den Archiven von St. Petersburg und Moskau. Unzählige, verloren geglaubte Dokumente kann sie ans Tageslicht einsehen. 

Die Geschichte der Familie Kign ist sehr gut gelungen. Für mich persönlich ist der Zeit vor der Revolution ein wenig zu viel Platz eingeräumt. Hier werden viele, (wenn auch sehr interessante) Details zum Leben auf einem Gut erwähnt. Die Vertreibung und Flucht, sowie der Neuanfang in Österreich in der Zwischenkriegszeit und das Leben während der NS-Diktatur und danach kommt mir ein wenig zu kurz. („Das Ende der Geschichte“).

Möglicherweise ist das für die Autorin noch zu nahe, zu wenig „historisch“. Doch der Vollständigkeit halber wäre ein Nachwort „Wie es mit der Familie Kign weiterging“ sehr interessant. Es findet sich leider nur der Satz “Olgas Mann war nur mäßig an der Familiengeschichte interessiert.“ (S. 399) 

Gut gefallen haben mir die vielen Fotos sowie der Stammbaum. Auch hier hätte ich mir eine Ergänzung bis hin zur Autorin gewünscht. Aber, das ist Jammern auf hohem Niveau. 

Diese Familiengeschichte wirft einen etwas anderen Blick auf die adeligen Grundherren des 19. Jahrhunderts. Nicht alle waren Ausbeuter, wie es oft beschrieben wird. Die Familie Kign ist sich ihrer Verantwortung für die Menschen auf ihrem Gut bewusst. Es werden behutsame Modernisierungsmaßnahmen ein- und durchgeführt. Einen wesentlichen Anteil haben hier auch die Gutsherrinnen, die in Abwesenheit der Männer das Gut geschickt führen.  

Fazit:  

Eine beeindruckende Familiengeschichte, der ich gerne 4 Sterne gebe.


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