Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich mit etwas falschen Erwartungen an das Buch herangegangen bin, die wohl der Klappentext in mir ausgelöst hat: Es geht in "Nicht jetzt, niemals" keineswegs um eine Hinrichtung, generell Meinungen zur Todesstrafe oder wie damit umgegangen werden kann. Der Tag dieser Hinrichtung wird von der Lehrerin Miss Renshaw zu ganz eigenen Zwecken genutzt, die eine unabhängige Geschichte erzählen. Erst dadurch, dass sie ihren Schülerinnen das Versprechen abnimmt, für immer über diesen Tag zu schweigen, nimmt die Katastrophe schließlich ihren Lauf...
Lange Zeit wird man darüber im Unklaren gelassen, was nun wirklich auf diesem Schulausflug passiert ist, und man kommt als Leser nicht umhin, seine eigenen Vermutungen anzustellen. Wenn man die "kleinen Mädchen" auf den letzten Seiten des Buches schließlich acht Jahre später wiedertrifft, erhält das Buch nochmal eine neue Wendung, die aber auch nicht bei der Klärung des tatsächlichen Geschehens hilft. Einerseits finde ich es schade, dass so wenig im Buch erklärt wurde, andererseits macht aber auch gerade dies einen besonderen Reiz für den Leser aus - zwingt es doch dazu, noch lange über das Gelesene nachzudenken. Doch irgendwie nagt an mir auch die Frage, ob ich evtl. einen kleinen Hinweis, der zur besseren Auflösung beigetragen hätte, übersehen habe - und vielleicht werde ich es aus genau diesem Grund irgendwann nochmal lesen. Denn überzeugt hat mich die Geschichte und das bedrückende Schweigen der Schülerinnen auf jeden Fall!
Zu den Schülerinnen selbst bleibt immer ein gewisser Abstand bestehen, da sie oft mehr durch ihr Aussehen oder andere Auffälligkeiten als durch ihr Verhalten und ihre Empfindungen charakterisiert werden (die große und die kleine Elisabeth, die stille Deidre, die ständig weinende Bethany...). Dies passt aber meiner Meinung nach gut zum Stil des Buches, in dem über die Schülerinnen oft nur verallgemeinernd mit "die kleinen Mädchen" gesprochen wird, und die so wirklich wie eine in sich geschlossene Gemeinschaft daherkommen. Vielmehr geht es ja auch darum zu zeigen, wie sich die Klasse verändert, wie alle unter dem bedrückenden Schweigen leiden und wie die Erwachsenen nun mit der Situation umgehen. Und von dieser 'Verhaltensstudie' hat Ursula Dubosarsky eine ganze Menge auf den gerade mal 143 Seiten untergebracht!
Sehr interessant fand ich darüber hinaus, dass alle 20 Kapitelüberschriften die Namen von Bildern des australischen Künstlers Charles Bukowski tragen. In diesen Bildern aus der "school girls"-Serie, die allesamt sehr bedrückend auf mich wirken, kann man gut die triste Atmosphäre des Buches wiedererkennen und sieht, woher Frau Dubosarsky einen Teil ihrer Inspiration genommen hat. Toll wäre es natürlich gewesen, wenn man diese Bilder direkt in das Buch integriert hätte. (aber wofür gibt es Google?)
Mein Fazit: Ein interessantes Büchlein über die Frage, ob und wann man ein Versprechen auch brechen darf. Vor allem die bedrückende Grundstimmung des Buches hat mich überzeugt, aber ein paar mehr Hinweise zum Ausgang der Geschichte hätte es geben dürfen.