Cover des Buches Madame empfängt (ISBN: 9783839210505)
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Rezension zu Madame empfängt von Ursula Neeb

Sehr empfehlenswerter historischer Kriminalroman mit einer tollen Ermittlerin

von PMelittaM vor 10 Jahren

Rezension

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PMelittaMvor 10 Jahren
1836 werden in Frankfurt am Main mehrere Morde verübt. Die Opfer sind Dienstmädchen, die sich allerdings aus der Not heraus auch prostituierten. Die Polizei ist nicht wirklich engagiert dabei, den Täter zu fassen, zu unwichtig sind die Opfer. Darüber ist Sidonie Weiß, Schriftstellerin und Wohltäterin, äußerst erbost und mischt sich zusammen mit ihrem Jugendfreund Johann Konrad Friedrich in die Ermittlungen ein.

Sidonie Weiß ist eine tolle Ermittlerin, Anfang 50 und unverheiratet, gilt sie als „alte Jungfer“, hat aber sicher wesentlich mehr Lebenserfahrung als manch eine verheiratete Frau jener Zeit. Als Schriftstellerin schreibt sie Kriminalromane, Schauergeschichten und Liebesgedichte, sie setzt sich für die Armen ein, sorgt z. B. dafür, dass Kinder regelmäßig Milch trinken können, um Mangelerscheinungen vorzubeugen, und ist allem Möglichen gegenüber aufgeschlossen, sei es Prostitution oder Homosexualität. Sie lässt sich so schnell nicht unterkriegen, kennt Gott und die Welt, ist mutig und entschlossen, ein toller Charakter.

Auch die anderen Charaktere hat Ursula Neeb gut gezeichnet. Im Anhang findet sich ein Personenregister, dem man entnehmen kann, wer tatsächlich gelebt hat, bei einigen bin ich wirklich erstaunt, z. B. auch bei Johann Konrad Friedrich, der im Übrigen Sidonie bei ihren Ermittlungen großartig unterstützt, sie aber auch bremst, wenn es nötig ist. Ein männlicher Zweitermittler ist immer mal wieder von Nöten, denn es gibt Orte, an denen Sidonie nicht selbst ermitteln kann.

Die Geschichte lebt auch davon, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit einbezogen werden. Leider hat die Autorin kein Nachwort geschrieben, in dem sie Fiktion und Phantasie differenziert, doch schon durch die große Anzahl historischer Persönlichkeiten, die eine Rolle spielen und die Örtlichkeiten, die sie wählt, wie z. B. das städtische Irrenhaus, kann man erkennen, wie gut sie recherchiert hat. Alles wirkt sehr authentisch.

Ursula Neeb hat eine Sprache gewählt, die der Zeit angepasst wirkt, Leute aus den niedrigeren Schichten lässt sie zudem oft dialektgefärbt sprechen, die Gebildeten benutzen dagegen viele französische Begriffe. Das gibt einem das Gefühl mittendrin zu sein im Frankfurt der Biedermeierzeit. Sehr oft schreibt die Autorin auch mit einer feinen Ironie, was das Ganze noch gesellschaftskritischer wirken lässt, wenn z. B. die Polizei einen vermeintlich homosexuellen Verdächtigen zum Verhör erwartet, sich in Vorurteile hineinsteigernd schon eine Art Monster erwartet – und dann eine zarte, feine Person kommt.

Der Kriminalfall ist interessant, die Ermittlungen Sidonies – aber auch der Polizei – eindrucksvoll dargestelllt, die Auflösung logisch. Sehr gut hat mir auch gefallen, dass die Opfer dem Leser nahe gebracht werden, man erfährt viel über sie, ihren persönlichen Hintergrund, ihre Hoffnungen, ihre Probleme, so dass man auch mit ihnen leiden kann, als sie dem Mörder in die Falle gehen. Schön fand ich auch, dass der Titel der Geschichte im Nachhinein wunderbar zum Roman passt.

Abschließend erfährt man im Epilog die weiteren Lebensgeschichten der handelnden Personen, es gibt ein Rezept für Frankfurter Kranz (der im Roman gegessen wird) und das schon erwähnte Personenregister. Hätte die Autorin auch noch ein bisschen zu den tatsächlichen historischen Gegebenheiten erzählt, wäre das Buch rundum perfekt gewesen.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, ich würde Sidonie gerne noch einmal in einem weiteren Roman treffen. Von mir gibt es daher volle Punktzahl und eine Leseempfehlung vor allem für Freunde gut recherchierter historischer Kriminalromane. Wer gerne einmal in dieses Genre hineinschnuppern möchte, hätte hier ebenfalls den perfekten Roman dafür.

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