Mit Winterrezepte aus dem Kollektiv hat Louise Glück eine wunderbare Gedichtsammlung vorgelegt, die Luchterhand in einer zweisprachigen Ausgabe herausbrachte (Übersetzung Uta Gosmann).
Trotz der einfachen Sprache, der sich Glück bedient, eröffnet sie für uns Leserinnen und Leser ganze Welten, eine Innen- und Außenschau aufs Leben, wie es eben ist: wir altern, verlieren Nahestehende, zuweilen auch uns selbst, die Zukunft ungewiss. "And the world goes by" - „Und die Welt zieht vorüber“
Warum dann nur vier Sterne? Dieser Abzug ist der Übersetzung geschuldet. So sehr ich, die selbst Übersetzerin ist, Verständnis für die Schwierigkeiten habe, die eine Übertragung aus dem Englischen mit sich bringt – viele einsilbige Wörter, die im Deutschen häufig nur mehrsilbige Entsprechungen haben, Alltagssprache, die im Deutschen schwerfälliger daherkommt –, so wenig Verständnis habe ich für unnötige Längen und zuweilen falsche Interpretationen. Schon im ersten Gedicht, das schlicht Poem / Gedicht heißt, finden sich dafür mehrere Beispiele. Dort, wo die Lyrikerin Gosmann etwas mehr ihre eigenen dichterischen Fähigkeiten spielen lassen und freier formulieren sollte, klebt sie am Original und liefert viel zu lange Zeilen
Glück: "pausing only to eat wild berries out of a dish / painted with pictures of birds."
Gosmann: „und halten nur ein, um wilde Beeren aus einer Schale zu naschen, / bemalt mit Bildern von Vögeln.“
während sie an anderen Stellen unnötigerweise vom Original abweicht:
Glück: "you hide your head so as not / to see the end –"
Gosmann: „du duckst dich, um nicht / das Ende zu sehen –“
Auch geduckt könnte man immer noch das Ende sehen, mit verborgenem Kopf, wie im Original, nicht. Bei Gosmann braust der Wind in den Ohren, während er bei Glück bloß dort ist ("the wind is in our ears"), und in der letzten Zeile wird die Wange berührt (touch), nicht gestreichelt, wie Gosmann meint.
Letztes Beispiel: In The Denial of Death / Die Verleugnung des Todes wird der Anblick spielender Kinder im Wasser bei Glück so beschrieben:
"watching a group of children playing in the shallows, / each body circled by a rubber tube. / Red and blue, green and yellow, / a rainbow of children splashing in the clear lake."
Bei Gosmann wird der Schwimmreifen (rubber tube) zu einem Gummiring, wodurch das nachfolgende Bild des aus Kindern gebildeten rot-blau-grün-gelben Regenbogens nicht mehr schlüssig ist.
Diese kleineren und größeren Ungenauigkeiten in der Übersetzung überraschen umso mehr, als Gosmann an anderer Stelle äußerst gelungene Nachdichtungen bietet , etwa in Autumn / Herbst:
"The leaves piled, waiting to be lit." / „Das Laub gehäuft, in Erwartung des Funkens.“
Fazit: Trotz der genannten Vorbehalte eine empfehlenswerte Lektüre, die zum Nachdenken anregt.