Cover des Buches Wildtriebe (ISBN: 9783423282888)
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Rezension zu Wildtriebe von Ute Mank

Unsentimentaler Emanzipations- und Heimatroman

von alasca vor 3 Jahren

Kurzmeinung: Ruhiger Roman um die Emanzipation dreier Landfrauen, ihre Kämpfe, Verluste und Erfolge, der schildert, ohne zu urteilen. Sehr gelungen.

Rezension

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alascavor 3 Jahren

Mit seinem aufwändig gestalteten, romantisch anmutenden Schutzumschlag könnte Ute Manks Erstling „Wildtriebe“ falsche Erwartungen wecken. Denn was die Autorin in ihrem Roman erzählt, ist nichts für Liebhaberinnen schmalziger Liebesgeschichten mit Happy End.

Wir befinden uns in den 70er Jahren, aber auf dem Land löst die Hippie-Bewegung bestenfalls Befremden aus. Das Leben wird durch Konventionen geregelt. Was die Leute im Dorf denken, ist der Maßstab für das eigene Handeln. Was die Romantik angeht: auch Bauersleute verlieben sich. Aber wenn die Braut dann (üblicherweise) auf den Hof des Mannes zieht, muss sie sich unterordnen.

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, die oft wechseln. Anfangs überwiegen die Stimmen von Lisbeth, der Altbäuerin, und Marlies, ihrer Schwiegertochter; zum Ende kommt die Enkelin Joanna hinzu. Die Männer bleiben blass, denn es sind nicht ihre Konflikte, die hier verhandelt werden. Der Roman besticht durch seinen ruhigen Erzählton und seine schlichte, klare Sprache. Es gibt wenig Dialog im Text – und das passt, denn man spricht nicht miteinander. „Das Innere nach Außen kehren lag ihnen nicht. Wo hätten sie es auch lernen können.“ Aber dennoch liest der Text sich leicht. Mank versteht es, zu schildern, ohne zu urteilen. Dadurch gelingt es ihr, für jede ihrer Frauenfiguren Verständnis zu wecken. Wie schwer es für die Frauen damals war, Veränderung zu bewirken, die inneren Konflikte, der Mangel an weiblicher Unterstützung – das zu zeigen gelingt Mank ganz großartig.

Aber auch die schönen Aspekte gehen nicht unter. Im Gegenteil erhält man einen guten Einblick in das bäuerliche Leben mit all seinen Traditionen, seinen Höhen und Tiefen. Auch eine Vorstellung davon, mit welchem Stolz ein Bauer, eine Bäuerin damals seine/ihre Scholle bewirtschaftet hat. Undenkbar, woanders als auf dem eigenen Land zu arbeiten.

Toll dargestellt sind auch die direkten Folgen politischer Entscheidungen (Milchquote) auf die Bauernfamilien. Wie wir heute wissen, haben diese Entscheidungen zur Entstehung der industrialisierten Landwirtschaft beigetragen und Tausende Landwirte zur Aufgabe der Landwirtschaft gezwungen oder zu Feierabendbauern gemacht. Für viele ein Trauma. Hier (wie auch in vielen anderen Details) habe ich mich an die Romane von Dörte Hansen erinnert gefühlt, die ich ebenfalls sehr schätze.

„Wildtriebe“ begleitet die Entwicklung des Bethcheshofes und seiner Figuren über einen Zeitraum von gut 20 Jahren. Wird am Ende endlich ein altes Geheimnis gelüftet? Mank malt einen Lichtstreifen an den Horizont - Veränderung ist möglich, aber sie hat ihren Preis. Die Vorbilder ihrer Figuren sind Frauen, die nicht gewusst hätten, was eine Feministin ist, aber trotzdem welche waren.

Ein sehr gelungener Roman, den ich gerne empfehle. Für Fans von Dörte Hansen ein Muss.

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