Uwe Schultz

 3,6 Sterne bei 30 Bewertungen
Autor*in von Richelieu, Immanuel Kant und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Uwe Schultz war Leiter der Hauptabteilung Kulturelles Wort beim Hessischen Rundfunk; er arbeitet heute freiberuflich als Publizist in Paris. Von ihm liegen bei C.H.Beck vor: Versailles. Die Sonne Frankreichs (2002); Der Herrscher von Versailles. Ludwig XIV. und seine Zeit (2006); Richelieu. Der Kardinal des Königs. Eine Biographie (²2015); Der König und sein Richter. Ludwig XVI. und Robespierre (2012).

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Uwe Schultz

Cover des Buches Richelieu (ISBN: 9783406679544)

Richelieu

 (6)
Erschienen am 11.05.2015
Cover des Buches Immanuel Kant (ISBN: 9783499506598)

Immanuel Kant

 (6)
Erschienen am 01.12.2003
Cover des Buches Der Herrscher von Versailles (ISBN: 9783406549892)

Der Herrscher von Versailles

 (4)
Erschienen am 19.09.2006
Cover des Buches Das Duell (ISBN: 9783458334392)

Das Duell

 (2)
Erschienen am 23.10.1996
Cover des Buches Das Zeitalter des Sonnenkönigs (ISBN: 9783806229530)

Das Zeitalter des Sonnenkönigs

 (2)
Erschienen am 01.09.2015
Cover des Buches Der König und sein Richter (ISBN: 9783406782244)

Der König und sein Richter

 (1)
Erschienen am 28.09.2021
Cover des Buches Große Prozesse (ISBN: 9783406477119)

Große Prozesse

 (1)
Erschienen am 20.02.2001

Neue Rezensionen zu Uwe Schultz

Cover des Buches Madame de Pompadour oder die Liebe an der Macht (ISBN: 9783406521942)
A

Rezension zu "Madame de Pompadour oder die Liebe an der Macht" von Uwe Schultz

Sechs Bücher über Madame de Pompadour. Teil 6: Uwe Schultz
Andreas_Oberendervor 2 Jahren

Nur wenige Frauengestalten der französischen Geschichte üben eine so starke und dauerhafte Faszination aus wie Madame de Pompadour, geborene Jeanne-Antoinette Poisson (1721-1764), die langjährige Geliebte, Vertraute und Ratgeberin Ludwigs XV. Ein ähnlich intensives Interesse wecken allenfalls Katharina von Medici und Marie-Antoinette. Mehr als zwanzig Jahre lang war Madame de Pompadour in wechselnden Rollen Gefährtin des Königs. Im Gegensatz zu vielen anderen Mätressen bewahrte sie ihre prominente Stellung am Hof und ihren Einfluss, nachdem sich die Liebesbeziehung zwischen ihr und dem König in eine Freundschaft gewandelt hatte. Die Tochter einer bürgerlichen Familie, vom Monarchen zur Marquise von Pompadour erhoben, lernte die Licht- und Schattenseiten des Daseins als königliche Favoritin kennen, das Luxusleben am glänzendsten Hof Europas ebenso wie Spott und Verachtung vieler Zeitgenossen. Die Frage, wie sich Madame de Pompadour so ungewöhnlich lange im Zentrum der Macht halten konnte, von welchen Motiven und Impulsen sie getrieben wurde, fesselt Historiker, Sachbuchautoren und das Lesepublikum bis heute. Jede Generation wendet sich aufs Neue dieser bemerkenswerten Frau zu. Entsprechend umfangreich und schwer zu überschauen ist die ältere und neuere Literatur über die Marquise. Seit dem 18. Jahrhundert hat das Pompadour-Bild mehrere Wandlungen erfahren. Zu ihren Lebzeiten musste die Favoritin als Sündenbock für politische Mißstände und Frankreichs Niederlagen im Siebenjährigen Krieg herhalten. In der von bürgerlichen Moralvorstellungen geprägten französischen Geschichtswissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts dienten Ludwig XV. und seine Geliebte als Symbol für die vermeintliche Dekadenz des Ancien Régime. Der König galt als willensschwach, verantwortungsscheu und manipulierbar, seine Mätresse als intrigant, machtversessen und verschwendungssüchtig. Viele Autoren hielten es nicht für nötig, Fakten und Fiktionen zu unterscheiden; sie kolportierten in ihren Büchern Legenden, Gerüchte und Hofklatsch. Ähnlich wie im Falle Katharinas der Großen sind viele ältere Werke über Madame de Pompadour der historischen Trivialliteratur zuzuordnen. 

Doch schon zu Zeiten der Dritten Republik (1871-1940) bahnte sich die allmähliche Rehabilitierung der vielgeschmähten Marquise an. Die Brüder Goncourt und der Historiker Pierre de Nolhac erarbeiteten auf der Grundlage vertrauenswürdigen Quellenmaterials ein realistisches Bild von der Rolle, die Madame de Pompadour am Hof Ludwigs XV. spielte. Ihre Einflussnahme auf die Politik war geringer, als viele Zeitgenossen mutmaßten. Moderne Biographen Ludwigs XV., etwa Michel Antoine und Jean-Christian Petitfils, halten den politischen Einfluss der Marquise für vernachlässigbar. In Anlehnung an die Goncourts und Nolhac heben Autorinnen und Autoren der neueren und heutigen Zeit Madame de Pompadours Bedeutung als Förderin der Künste und Wissenschaften und als Bauherrin hervor. Das Mäzenatentum und die Bautätigkeit der Marquise waren in jüngerer Zeit wiederholt Gegenstand kunsthistorischer Forschungen. Die Pompadour-Biographik steht unvermindert in Blüte. Kaum ein Jahrzehnt vergeht, ohne dass neue Biographien über die Marquise erscheinen. Die günstige Quellenlage war schon immer ein großer Anreiz, eine Pompadour-Biographie in Angriff zu nehmen. Die Korrespondenz der Marquise ist in großen Teilen erhalten geblieben, mit einer Ausnahme: Der Briefwechsel mit dem König ist komplett verloren. Eine Pompadour-Biographie, die ernst genommen werden will, kann sich nicht in der Erzählung sattsam bekannter Fakten erschöpfen. Sie sollte anhand der verfügbaren Quellen bestimmte Aspekte untersuchen, etwa das politische Wirken und die Vermögensverhältnisse der Marquise. Sechs Bücher werden hier vorgestellt und vergleichend rezensiert. Sie stammen von französischen, angelsächsischen und deutschen Autorinnen und Autoren: Nancy Mitford (1954), Tibor Simanyi (1979), Danielle Gallet (1985), Evelyne Lever (2000), Christine Pevitt Algrant (2002) und Uwe Schultz (2004). Die Bücher von Gallet und Pevitt Algrant liegen nicht in deutscher Übersetzung vor. Sie dürften in Deutschland weitgehend unbeachtet geblieben sein.

Uwe Schultz (geb. 1936) ist ein ehemaliger Rundfunkjournalist, der in den letzten 25 Jahren fleißig auf dem Gebiet der französischen Geschichte herumgestümpert hat. Seine Pompadour-Biographie ist genauso missraten und wertlos wie seine Bücher über Ludwig XIV. (2007), Kardinal Richelieu (2009), Heinrich IV. (2010) und Kardinal Mazarin (2018). Alle diese Bücher sind seicht und ohne Tiefgang, bewegen sich auf einer rein anekdotischen Ebene, kreisen hauptsächlich um höfische Intrigen und Amouren. Der Tonfall gleitet oft ins Süßliche und Schwülstige ab. Schultz ist gar kein Autor, sondern nur ein emsiger Kompilator. Er findet keinen eigenständigen Zugang zu den historischen Figuren, über die er schreibt. Wie ein aufmerksamer Blick in die Endnoten der Pompadour-Biographie zeigt, hat sich Schultz die Arbeit denkbar einfach gemacht: Er hat die einschlägigen französischen Biographien der Marquise ausgeschlachtet, die Bücher von Danielle Gallet und Evelyne Lever, dazu die Biographie von René de Castries (1983). Unzählige Quellenzitate hat er aus diesen Büchern übernommen und in seinen Text hineinmontiert. Der Leser kann nicht nachvollziehen, aus welchen Quellen (Briefe, Memoiren, Tagebücher) die Zitate ursprünglich stammen. Nur wenige Quellenwerke hat Schultz tatsächlich selbst konsultiert. Dabei entlarvt er sich unwillentlich als Amateur. In den 1770er Jahren erschien in London eine umfangreiche Edition von Briefen der Marquise. Die Zeitgenossen erkannten sofort, dass es sich um eine Fälschung handelte. Kein Geringerer als Voltaire hat sich schon bald nach der Veröffentlichung des Werkes über die dreiste und plumpe Fälschung mokiert. Es ist bestürzend, dass heutzutage noch immer einzelne Autoren Gebrauch von den gefälschten Briefen machen, darunter Uwe Schultz. Er zitiert rund 70 Mal aus der Londoner Edition. Alle Briefe, die er heranzieht, um die Marquise in ihren eigenen Worten sprechen zu lassen, sind nicht echt. Einige Male zitiert Schultz aus der Briefsammlung von Hans Pleschinski ("Ich werde niemals vergessen, Sie zärtlich zu lieben. Madame de Pompadour. Briefe", 1999). Da Pleschinski ebenfalls auf die Fälschung hereingefallen ist, sind auch alle Zitate aus seinem Buch keine authentischen Äußerungen der Marquise. Das Buch von Uwe Schultz ist eine peinliche Blamage für den Verlag C.H. Beck. Wie eine gelungene populärwissenschaftliche Pompadour-Biographie aussieht, die gut lesbar und zugleich inhaltlich seriös ist, zeigt das wunderbare Werk von Christine Pevitt Algrant. 

Zahlreiche Fehler belegen Schultz’ mangelnde Sachkenntnis und das schlampige Verlagslektorat. Henriette d’Entragues, die Mätresse Heinrichs IV., starb nicht im Kindbett (S. 8). Sie überlebte den König und starb 1633 als alte Frau. Das Testament Ludwigs XIII. wurde nicht "wegen Missachtung des Salischen Gesetzes annulliert" (S. 47), sondern weil Ludwigs Witwe Anna die Regentschaft für ihren Sohn, Ludwig XIV., allein ausüben wollte anstatt zusammen mit einem Regentschaftsrat. Nicht Kaiser Karl VI. war der Schwiegervater Augusts III. von Sachsen-Polen (S. 66), sondern Karls älterer Bruder und Vorgänger, Kaiser Joseph I. Karl VI. hatte nie den Wunsch, dass ihm seine Tochter Maria Theresia in der Kaiserwürde nachfolgen sollte (S. 69). Mit der Pragmatischen Sanktion regelte der Kaiser die Nachfolge seiner Tochter in den habsburgischen Erblanden. Am Vorabend der Schlacht von Fontenoy (1745) erinnerte Ludwig XV. seine Offiziere an die Schlacht von Poitiers, als zuletzt ein französischer König zusammen mit dem Thronfolger an der Spitze einer Armee gestanden hatte. Er bezog sich dabei nicht auf die Schlacht von Poitiers, die Karl Martell 732 gegen die Mauren schlug (S. 103), sondern auf die Schlacht von Poitiers während des Hundertjährigen Krieges (1356), als Johann II. und der Dauphin Karl zusammen gegen die Engländer kämpften. Ferdinand VI. von Spanien war der Sohn, nicht der Neffe Philipps V. (S. 114). Als Ludwig XVI. kurz nach seinem Herrschaftsantritt im Mai 1774 den Minister Maurepas zurückrief, der 1749 in Ungnade entlassen und auf seine Güter verbannt worden war, tat er dies nicht auf Vorschlag seines soeben verstorbenen Großvaters, der "Wiedergutmachung" leisten wollte (S. 123). Der Vorschlag stammte wahrscheinlich von den Tanten Ludwigs XVI., den Töchtern Ludwigs XV. Die Generalstände tagten im 16. Jahrhundert nicht viermal zwischen 1580 und 1588 (S. 237), sondern in den Jahren 1560, 1576, 1588 und 1593. Schultz schildert eine Begegnung zwischen Madame de Pompadour und der Königin Maria Leszczynska anhand eines Zitats aus den Memoiren von Madame Campan, der Kammerfrau Marie-Antoinettes (S. 74). Madame Campan wurde 1752 geboren und trat erst nach dem Tod der Marquise in königliche Dienste; sie kann der geschilderten Szene nicht als Augenzeugin beigewohnt haben. Es muss sich um einen Bericht aus zweiter Hand handeln, der entsprechend skeptisch zu betrachten ist. Schultz ist sich dessen nicht bewusst. Was ist eine "Schwägerin zweiten Grades" (S. 79)?

FAZIT

Eine Leseempfehlung verdienen nur die Biographien von Danielle Gallet und Christine Pevitt Algrant. Nancy Mitfords Buch ist unbestreitbar bezaubernd, doch für eine ernsthafte, vertiefte Beschäftigung mit Madame de Pompadour ist es aufgrund seines hohen Alters nicht geeignet. Die Bücher von Tibor Simanyi, Evelyne Lever und Uwe Schultz sind mehr oder weniger missglückt, läppisch, ohne Wert. Es fällt auf, dass alle sechs Autorinnen und Autoren nicht versuchen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Marquise systematisch zu durchleuchten. Daher bleibt unklar, wie Madame de Pompadour ihren aufwendigen Lebensstil finanzierte. 

Cover des Buches Richelieu (ISBN: 9783406679544)
A

Rezension zu "Richelieu" von Uwe Schultz

Ein Buch aus der historiographischen Mottenkiste
Andreas_Oberendervor 3 Jahren

Wer sich als Deutscher für Kardinal Richelieu interessiert, der hat große Mühe, Bücher in deutscher Sprache zu finden, die sich auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen. Die dreibändige Biographie von Carl J. Burckhardt, erschienen zwischen 1935 und 1967, ist für historisch interessierte Laien viel zu umfangreich und überdies inhaltlich veraltet. Veraltet sind inzwischen auch die ins Deutsche übersetzten Biographien von Philippe Erlanger (deutsche Ausgabe 1975) und Daniel Patrick O'Connell (deutsche Ausgabe 1978). Die derzeit in Frankreich maßgeblichen Biographien von Roland Mousnier (1992) und Françoise Hildesheimer (2004) wurden nicht ins Deutsche übersetzt und haben allenfalls in Fachkreisen Beachtung gefunden. Der deutsche Buchmarkt hat derzeit nur die Richelieu-Biographie von Uwe Schultz zu bieten. Schultz ist ein ehemaliger Rundfunkredakteur, der seit seiner Pensionierung auf dem Gebiet der französischen Geschichte herumdilettiert. Für jeden anspruchsvollen Leser sind Schultz' Bücher ein Ärgernis. Die Richelieu-Biographie ist keine Ausnahme. Sie taugt genauso wenig wie Schultz' Biographien über Heinrich IV., Ludwig XIV. und Madame de Pompadour.

Wer wie Schultz alle zwei Jahre ein neues Buch auf den Markt wirft, der hat keine Zeit für eine intensive Beschäftigung mit Quellen und Sekundärliteratur. Um sich die Arbeit zu erleichtern, beschränkt sich Schultz stets darauf, eine begrenzte Zahl von älteren Biographien auszuschlachten. Für seine Richelieu-Biographie hat er vor allem das Werk von Michel Carmona (1983) herangezogen, das nicht einmal zu den besten Richelieu-Biographien zählt. Fast ein Drittel der 381 Endnoten verweist auf Carmonas Buch. Die viel bedeutenderen Biographien von Mousnier und Hildesheimer tauchen zwar in der (sehr knappen) Bibliographie auf, haben jedoch in Schultz' Darstellung keine erkennbaren Spuren hinterlassen. Das Gleiche gilt für einige wichtige Arbeiten angelsächsischer Historiker. So verwundert es nicht, dass Schultz einen Kardinal Richelieu präsentiert, der in einem längst vergangenen historiographischen Zeitalter steckengeblieben ist. Der Kardinal wird als ein von Ehrgeiz zerfressener "Machtmensch" vorgestellt, als Staatsmann, der Frankreich "zur Einheit gezwungen" und dem "politischen Monozentrismus unterworfen" habe. Kein seriöser Historiker würde heute noch mit solch simplen und plakativen Gemeinplätzen arbeiten. Auch die Behauptung, Richelieu sei auf territoriale Expansion erpicht gewesen und habe für Frankreich die "Dominanz in Europa" angestrebt, erinnert an die verstaubten Klischees der älteren Geschichtsschreibung. Schultz findet keinen eigenständigen Zugang zu Richelieu; er plappert alte Lehrmeinungen nach, die die Geschichtswissenschaft längst hinter sich gelassen hat. Zu dieser Ahnungslosigkeit in Bezug auf den Forschungsstand passt auch der unkritische und unreflektierte Umgang mit den wenigen Quellen, die Schultz benutzt. Richelieus Memoiren und "Politisches Testament" sind problematische Quellen, die mit Umsicht und Skepsis zu benutzen sind. Schultz zieht diese Selbstzeugnisse nur heran, um seinen Text mit ein paar griffigen Zitaten aufzuhübschen. Auf eine eingehende Analyse wartet der Leser vergebens.

Die Biographie verharrt auf einer rein anekdotischen Ebene. Schultz schildert Richelieus Aufstieg zur Macht und seine langjährige Tätigkeit als Erster Minister Ludwigs XIII. im Stile eines Mantel-und-Degen-Romans, als endlose Abfolge von Intrigen, Kabalen und Verschwörungen. Mit sichtlichem Genuss ergeht sich Schultz in der Kolportage höfischer Klatsch- und Skandalgeschichten (Königin Anna und der Herzog von Buckingham!). Es fehlt eine strukturgeschichtliche Analyse der Bedingungen, unter denen Richelieu tätig war. Wie sah das politische System aus, und mit welchen Institutionen hatte Richelieu im politischen Alltagsgeschäft zu rechnen? Es wird nicht herausgearbeitet, wie groß - oder eher wie begrenzt - die Handlungs- und Gestaltungsspielräume des Kardinals waren. Da Schultz ein tiefgehendes Verständnis für die politischen Strukturen Frankreichs im 17. Jahrhundert fehlt, überschätzt er durchweg die Leistungen des Kardinals. Einmal mehr erscheint Richelieu als kühl kalkulierender Techniker der Macht, als skrupelloser Manipulator und dämonisch-genialer Strippenzieher, als "weitblickender Staatsmann, der die europäischen Mächte unter wachsamer Kontrolle hielt" (S. 309). Erwartungsgemäß wird der Kardinal zum Schöpfer des Absolutismus erklärt. Glaubt man Schultz, so hat Richelieu "die Macht des alten Feudaladels endgültig gebrochen und Frankreich auf dem Weg zum modernen Zentralstaat einen großen Schritt vorangebracht" (S. 232). Dieser Befund könnte auch aus einem französischen Lehrbuch aus der Zeit der Dritten Republik stammen. Wie die heutige Forschung Richelieus historische Rolle bewertet, das wird der Leser von Uwe Schultz nicht erfahren.

Ärgerlich ist an diesem Buch nicht nur der Inhalt. Schultz bedient sich einer gespreizten und pompösen Sprache. Er neigt zu barocker Gewundenheit und Schwülstigkeit. Stilblüten, missglückte Formulierungen, abgedroschene Phrasen und der übermäßige Gebrauch von Adjektiven wie "grandios" und "glorios" verunstalten den Text: "ein Mann mit zahlreichen Hintertüren" (S. 25); "turbulente Pikanterien" (S. 145); "ein exzessiv vitales Poem" (S. 284); "loderndes Feuer der Leidenschaft" (S. 295). Bei Ludwig XIII. diagnostiziert Schultz "eine Variante asketischer Homosexualität bis zum Extrem des Lächerlichen" (S. 87). Als Ludwigs Gemahlin Anna von Österreich wider Erwarten schwanger wird, wandelt sich der König zum "zärtlichen Beobachter ihrer körperlichen Beschwernisse" (S. 147). Bezogen auf die Königinmutter Maria de Medici heißt es: "Die Ereignisse, die sich in Paris abspielten, waren geeignet, ihren Unmut zu vergrößern" (S. 115). Über Richelieus Schwester Nicole du Plessis wird mitgeteilt, sie sei "in erhöhtem Ausmaß mit jenen bizarren Obsessionen der Familie belastet" gewesen, "die extremen Ehrgeiz bis an die Grenzen des Wahnsinns verursachen konnten" (S. 235). Über die Lebedame Madame de Chevreuse erfährt man: "Nun aber war sie, eine faszinierende Schönheit und zugleich eine raffinierte Intrigantin mit dem Hang zu romantischen Eskapaden, die ihren Gemahl mit diversen Herren des Hofes betrog und sie in ihre Abhängigkeit brachte, ihrerseits in die Falle einer Leidenschaft geraten, die sie sogar mit dem seltenen Merkmal der zeitweisen Treue zu versehen verstand" (S. 146). Wenn man solche gestelzten Schwurbeleien liest, dann fragt man sich, wer die Leute sind, die beim Verlag C.H. Beck Manuskripte lektorieren.

Auch dieses Buch von Uwe Schultz kann man getrost ignorieren. Deutschen Lesern bleibt nichts anderes übrig, als weiter auf eine seriöse Richelieu-Biographie zu warten, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Februar 2016 auf Amazon gepostet)

Cover des Buches Der Herrscher von Versailles (ISBN: 9783406549892)
A

Rezension zu "Der Herrscher von Versailles" von Uwe Schultz

Ludwig XIV. verdient eine bessere Biographie!
Andreas_Oberendervor 3 Jahren

Gute Biographien Ludwigs XIV. von Frankreich sind Mangelware, zumindest auf dem deutschen Buchmarkt. Die vorliegende Biographie aus der Feder von Uwe Schultz, einem ehemaligen Rundfunkredakteur, vermag diesem Mangel nicht abzuhelfen. Da ein Vorwort fehlt, ist unklar, an welchen Leserkreis sich die Biographie richtet. Das inhaltlich anspruchslose Buch bietet nichts, was man nicht schon in vielen anderen Biographien des Sonnenkönigs lesen konnte. Von einer angemessenen Rezeption der internationalen Forschung und der umfangreichen Sekundärliteratur zum Zeitalter Ludwigs XIV. kann bei Schultz nicht einmal im Ansatz die Rede sein. Wer das Buch aufmerksam liest und auch einen Blick in die Endnoten wirft, stellt fest, dass Schultz sich darauf beschränkt hat, vier Bücher auszuschlachten: Die Biographien Ludwigs XIV. von Philippe Erlanger (die auch auf Deutsch vorliegt), François Bluche und Jean-Christian Petitfils (die in Frankreich als Standardwerke gelten) sowie Simone Bertières Buch "Les femmes du roi-soleil" (1998).

Ohne Tiefgang anzustreben, behandelt Schultz alle Aspekte der langen Regierung Ludwigs XIV., von der Außen- über die Wirtschafts- bis hin zur Religionspolitik. Breiten Raum nehmen die Hofhaltung in Versailles und das Privatleben des Königs ein. Wenn Schultz auf das Liebesleben des Königs und anderer Personen zu sprechen kommt, gleitet der Ton wahlweise ins Süßlich-Sentimentale oder ins Puritanisch-Prüde ab. Da ist dann schon mal die Rede von "aufschäumender Liebesleidenschaft" oder "Augenblicken zärtlichsten Einverständnisses". Philipp IV. von Spanien wird mit erhobenem Zeigefinger für seine "entfesselte Sexualität" gescholten, und von Ludwigs Jugendliebe Maria Mancini heißt es, sie sei von ihrem Ehemann, dem Fürsten Colonna, "in unüblichem Ausmaß" betrogen worden (das arme Ding!). Über den Skandalautor Roger de Bussy-Rabutin erfährt man, er habe seine "männliche Unruhe nicht in einer geordneten Ehe verglühen lassen" wollen. Schultz' blumiger, an Adjektiven und Adverbien überreicher Stil erinnert an den Tonfall gewisser Werke des 19. Jahrhunderts, in denen die "Sittengeschichte" des Ancien Régime für das nach pikanter Unterhaltung dürstende spießbürgerliche Publikum aufbereitet wurde. Zwei Beispiele seien angeführt, um zu illustrieren, wie wenig Schultz von der Zeit versteht, über die er schreibt.

Mehrfach empört sich Schultz über die "horrenden Vermögen", die sich Frankreichs leitende Minister listenreich angeeignet hätten. Kardinal Richelieu habe das Land "systematisch geplündert", um sich zu bereichern. Kardinal Mazarin habe in einem beispiellosem "Raubzug" Vermögenswerte in Höhe von 36 Millionen Livres zusammengerafft. Jean-Baptiste Colbert habe die "horrende Summe" von 10 Millionen Livres in die eigene Tasche gewirtschaftet. Eine solche Empörung kann nur an den Tag legen, wer von Politik im 17. Jahrhundert und den Beziehungen zwischen Königen und ihren Ministern nichts versteht. Die moderne Auffassung, dass öffentliche Ämter nicht für persönliche Bereicherung missbraucht werden dürfen, war diesem Jahrhundert vollkommen fremd. Alle leitenden Minister jener Zeit - Buckingham in England, Lerma und Olivares in Spanien, um nur drei zu nennen - sind dank königlicher Gunst zu immensen Vermögen gelangt. Könige und ihre Minister konnten über Staatseinnahmen nach Lust und Laune verfügen - das war in vormodernen Monarchien Gang und gäbe. Minister wie Richelieu, Mazarin, Fouquet und Colbert wären von ihren Familien und Gefolgsleuten verachtet worden, wenn sie ihre Stellungen nicht ausgenutzt hätten, um sich, ihren Angehörigen und Freunden materiellen Gewinn, Adelstitel und lukrative Posten zu verschaffen. Die Bereicherung, über die Schultz die Nase rümpft, war damals selbstverständlich (sogar in Rom - man denke nur an den päpstlichen Nepotismus).

In einer Passage über die Sozialstruktur Frankreichs unter Ludwig XIV. heißt es, Adel, Klerus, Bürger und Bauern hätten jeweils 20, 10, 30 und 35% der Bevölkerung gestellt (S. 129). Abgesehen davon, dass diese Zahlen in der Summe nur 95% ergeben (was ist mit den restlichen fünf Prozent?), ist der Anteil des Adels mit 20% um ein Vielfaches zu hoch und der Anteil der Bauern mit 35% - in einem vorindustriellen Agrarland! - viel zu niedrig angesetzt. In keinem europäischen Land hat der Adel jemals ein Fünftel (!) der Bevölkerung gestellt. Wären die von Schultz genannten Zahlen richtig, dann müsste es unter Ludwig XIV. bei einer Gesamtbevölkerung von rund 20 Millionen nicht weniger als vier Millionen Adlige gegeben haben. Das ist vollkommen unsinnig. Woher Schultz diese Zahlen hat, ist nicht feststellbar, denn es fehlt bezeichnenderweise ein Quellennachweis. Spätestens an dieser Stelle fragt man sich als Leser, ob das Manuskript einem kompetenten Lektorat unterzogen wurde, bevor es in Druck ging.

Auch zu Schultz' Umgang mit Quellen (Memoiren, Tagebücher, Briefe) gibt es einiges anzumerken. Auf Seite 65 zitiert Schultz eine Beschreibung der Infantin Maria Theresia von Spanien, der Braut Ludwigs XIV., aus der Feder der bekannten Memoirenschreiberin Madame de Motteville. Schaut man in den Endnoten nach, woher dieses Zitat stammt, stellt man verwundert fest, dass es wider Erwarten nicht etwa den Memoiren der Madame de Motteville entnommen wurde. Schultz hat das Zitat einfach wortwörtlich aus der deutschen Fassung der Mazarin-Biographie von Paul Guth abgeschrieben. Madame de Sévignés begeisterter Kommentar zur Aufhebung des Edikts von Nantes wird nicht nach der Korrespondenz dieser berühmten Briefeschreiberin zitiert (S. 275). Das Zitat stammt aus der deutschen Ausgabe der Biographie Ludwigs XIV. von Philippe Erlanger. Beispiele für diese "Technik", nicht aus der Quelle selbst zu zitieren, sondern wörtliche Quellen-Zitate aus anderen Werken der Sekundärliteratur zu übernehmen, finden sich im Buch zu Hunderten. So kann man sich als Autor die Arbeit sehr erleichtern!

Umso verwunderlicher ist es, dass Schultz in der - auffallend knappen und bescheidenen - Bibliographie eine Vielzahl von teils mehrbändigen französischsprachigen Memoiren, Tagebüchern und Briefsammlungen auflistet: Briefe des Kardinals Mazarin (9 Bände); Briefe der Madame de Maintenon (5 Bände); Memoiren des Herzogs von Villars (6 Bände) usw. usf. Nirgendwo im Buch ist jedoch erkennbar, dass Schultz diese Quellen tatsächlich selbst durchgearbeitet und ausgewertet hat. Er beschränkte sich darauf, die Bücher von Erlanger, Bluche, Petitfils und Bertière nach passenden Quellen-Zitaten zu durchforsten, die er dann in den eigenen Text hineinmontierte. Jeder Student, der sich dieser "Technik" bediente, bekäme seine Seminararbeit vom Dozenten um die Ohren gehauen.

Langer Rede kurzer Sinn: Alle, die sich auf ernsthafte Weise mit Ludwig XIV. beschäftigen wollen, können dieses Buch guten Gewissens ignorieren. Es ist ärgerlich und peinlich, dass deutsche Verlage dem interessierten Leser derzeit keine Biographie Ludwigs XIV. bieten können, die besser ist als das oberflächliche Gelegenheitswerk von Uwe Schultz. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juli 2013 auf Amazon gepostet)

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