"Lost Cars" ist gleichermaßen Bild- wie Erzählband. Die Autoren beschreiben neben den durchweg gelungenen atmosphärischen Aufnahmen verschiedenster Autowracks die Geschichte hinter den Bildern. Fotos und Texte ermöglichen eine Reise durch die Geschichte der Automobilität und der engen Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Denn während manche Schätze in freier Wildbahn verrotten, werden andere wie sakrale Objekte in Garagen oder Scheunen eingelagert; Auto-Mumien gewissermaßen.
In anderen Fällen kann nur spekuliert werden, wie die Fahrzeuge an zum Teil ungewöhnliche Orte gelangt sind. Warum steht ein zerlöcherter BMW auf dem Golfplatz? Wer stapelt zwei halbe Käfer aufeinander? Was macht ein VW Scirocco im Schweinestall? Und wie kann man eingekeilt zwischen zwei Bäumen parken? Diese viele andere Fundorte dokumentieren die Fotografen nicht nur, sondern erschaffen stimmungsvolle Nachtaufnahmen mit künstlerisch ausgeleuchteten Szenen, die weit über den Niveau ähnlicher Bildbände liegen.
Die Autoren machen keinen Hehl daraus, dass man sich beim Fotografieren von Fahrzeugwracks wie bei anderen Lost Places häufig in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Deshalb gibt es zu den meisten Fundorten keine Angaben, nur einigermaßen bekannte Orte wie zum Beispiel den schwedischen Autofriedhof Båstnäs kann man mit etwas Online-Hilfe identifizieren. Egal, denn das macht den Charme und Seltenheitswert der Aufnahmen aus, die häufig auch (mit Genehmigung) auf Privatgrundstücken stattfanden. Dazu wird manche aufschlussreiche Geschichte erzählt, welche die vielfältigen Persönlichkeiten hinter den gehorteten Autoschätzen vorstellt.
Selbst wenn man kein Auto-Narr ist, hat der Band viel zu bieten. Die geheimnisvolle Stimmung der Bilder rückt die Fahrzeugruinen in ein ganz besonderes (Kunst)Licht, das Fans gelungener Fotokunst genauso erfreut wie Liebhaber längst vergessener Fahrzeugtypen und passionierte Urban Explorer. Und sie inspirieren dazu, nicht nur nach alten Gebäuden, sondern auch anderen verfallenden Zeugnissen menschlicher Eroberungswut nachzuspüren.
Uwe Sülflohn
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Lost Cars
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Rezension zu "Lost Cars" von Uwe Sülflohn
Ein Blick in die Vergangenheit der Automobile oder gar in die Zukunft?
Kaum eine andere Erfindung (vielleicht noch das Telefon und der Buchdruck und die Eisenbahn), haben die Menschheit individuell so vernetzt und „mobil“ gemacht, wie die Erfindung und dann die Massenherstellung von Automobilen.
Lange Jahre Symbol und Zeichen, aber auch ganz reales Mittel für die individuelle Fortbewegung, die „Freiheit auf Rädern“ in jedweder und vielfacher Form, von Waren bis zum Personentransport bis hin zum Hobby und zur Auslebung persönlicher „Geschwindigkeitsträumen“, zudem mit dem „Beiwerk“, seine persönliche, kulturelle Haltung und seinen „Status“ mittels einer „Blechbüchse“ bestens zum Ausdruck bringen zu können.
Was aber, wenn das einst geliebte und gepflegte in die Jahre kommt? Wenn Zeit vergeht? Technik den „Geist aufgibt“, Geschmäcker sich verändern und eine „mobile Ruine“ zurückbleibt?
Das sind Bilder, welche die Autoren griffig und empathisch in Szene zu setzten verstehen.
Wie diesen Porsche, einst bestimmt „Traum-Automobil“, dass nun, achtlos in den Wald geschoben, kaputt, vergammelt und verrostet fast selbst nur noch wie „Gestrüpp“ wirkt.
Genauso wie jene Limousine, die im Halbdunkel des Dickichts von diesem überwachsen und „einverleibt“ wurde.
Oder der „gestrandete Wal“ im Garten.
„Wie ein Wal versinkt der 1052er Buick Eight endlos langsam im Gartenboden“.
Wobei das „endlos langsam“ kaum eine Rolle spielt, denn die im Bildband abgebildeten Fotografien von „gestorbenen Automobilen“ zeigen unmissverständlich auf, dass diese Karossen bereits viele Jahre lang Zeit hatten, irgendwo zu versinken oder sich in morastige, vom Rost rötliche Objekte zu verwandeln.
Und doch noch erkennen zu lassen, dass einmal Leben in den Maschinen war und Leben in diesen gefahren und transportiert worden sind.
Manche bekommen vielleicht gar irgendwann eine zweite Chance.
„Wie im Aufwachraum der Chirurgie wartet ein Peugeot 204 auf sein neues Leben, von der aber noch weit entfernt ist“, in dieser rumpeligen, mit vielfachen Teilen vollgestopften Halle.
Oder die zwei Citroen „Göttinnen“, derer sich niemand erbarmt hat und die im Duo sich an Dornensträucher zu klammern scheinen, um nicht um Morast zu versinken.
„Autowracks erzeugen Geschichten wie verlassene Häuser. Aber im Gegensatz zu diesen haben Autos Gesichter……Deshalb erwachen sie aus ihrem Stillstand heraus und werden Kreatur für uns“.
Vielleicht auch, weil sie zu damaligen Zeiten mit Charakter ausgestattet waren und fast wie „lebendig“ behandelt wurden und nun im massiven Kontrast dazu „weggeworfen“ werden. Was durchaus auch in den stimmungsvollen Bildern Emotionen hervorruft und einen Blick auf die Vergänglichkeit kultureller Moden erlaubt.
Ein faszinierender Bildband.
Ich bin kein Autofan, auch wenn mich ein schickes Gefährt durchaus entzücken kann. Aber diese Autos versprühen einen morbiden Charme, was sicherlich auch an den Inszenierungen liegt. Die Bildbeschreibungen sind teilweise recht witzig, denn den Autoren ist zu den Autos jeweils etwas mehr oder weniger Passendes eingefallen. Teilweise gibt es spannende Geschichten um die Entstehung der Wagen.
Fazit
Ein Volltreffer für Autoliebhaber.
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