Rezension zu Der Freund und der Fremde von Uwe Timm
Rezension zu "Der Freund und der Fremde" von Uwe Timm
von Kaivai
Rezension
Kaivaivor 16 Jahren
"Nicht sein Leben und Schreiben sollte ihn bekannt machen, sondern sein Tod. So einfach, so banal läßt es sich sagen. Ein Tod ohne Ankündigung. Ein Tod ohne Krankheit. Ein Tod als Zufall. Ein Tod als Opfer. Nicht einmal bewußt in Kauf genommen, wenn man davon absieht, daß er bewußt auf diese Demonstration gegangen war. Ein dummer Tod. Aber jeder Tod ist dumm, es gibt nur einige Abschattungen, die das Dumme mit etwas mehr Bedeutung, mit Wertung aufladen, eine dieser Wertungen ist der Opfertod, ein Tod, der andere vor dem Tod bewahrt. Das Empörende an seinem Tod ist das Zufällige. Das Absurde." Uwe Timm war der Freund von Benno Ohnesorg, der am Freitag den 2.Juni 1967 vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde. Als dies geschah, war ihre Freundschaft schon erkaltet, weil es Timm wegzog von ihrem gemeinsamen Studienort Braunschweig, zuerst nach München und dann nach Paris. In Paris wollte er in Philosophie promovieren und schrieb dafür an seiner Arbeit über "Das Problem der Absurdität bei Camus". Im Radio hörte er vom Tod seines früheren Freundes. Der Freund, der ein Fremder geworden war. Aber wie der Fremde bei Camus, hatte er nicht einen Menschen erschossen - er war von einem Menschen erschossen worden. Uwe Timm schreibt wie ein Fluß, der ins Meer will. Die Mündung ist nah und der Fluß mäandert. Er verästelt sich hier und dort und da und hier führt er sich wieder zusammen. Um sich gleich wieder zu zerreißen. Alles strebt zum Meer. Zur großen See(le). So zu schreiben, so unlinear, ist sicher nicht jedermanns Sache und ich denk mir, das viele es anstrengend finden. Ich find es wunderbar. Genauso arbeitet ja das Gehirn - die Synapsen mäandern, wenn man sie läßt und nicht in Kanäle zwingt. Dies Buch muß man auch lassen, dann ist es klar und schön.