Rezension zu "Die sieben Farben des Blutes" von Uwe Wilhelm
Eine bizarre Mordserie versetzt Berlin in Schrecken! Nach und nach werden unerschrockene Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, gegen Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen in der Gesellschaft vorzugehen, auf bestialische Weise umgebracht. Der Mörder, der sich Dionysos nennt, sendet nach jeder seiner abscheulichen Taten ein Video und Botschaften, in denen er angibt, die Opfer "heilen" zu wollen und damit den Frauen ihren von Anbeginn der Menschheit zugewiesenen Platz zurückzugeben. Seine Botschaften entnimmt er der Schrift "Das Buch Dionysos" aus der Feder des Anthropologieprofessors Rashid Gibran, der bald ins Visier der ermittelnden Behörden, allen voran der mit dem Fall betrauten Staatsanwältin Helena Faber gerät. Die kämpferische und ehrgeizige Staatsanwältin jedoch ist als eines der nächsten Opfer des fehlgeleiteten Mörders ausersehen, wie sich schnell herausstellt. Und ebenso schnell wird klar, dass Dionysos Kontakte zu Polizei oder Staatsanwaltschaft haben muss oder sogar einer von ihnen ist! Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der aussichtslos zu sein scheint, denn Dionysos lässt sich nicht aufhalten. Er mordet weiter und endet sich unaufhaltsam der Vollendung seiner Mission....
Man muss schon sagen - Uwe Wilhelm, der Autor, mutet dem Leser einiges zu! Er hat einen stilistisch hochklassigen und clever konstruierten Thriller geschrieben, der wegen seiner grausamen und detailreichen Mordszenen gewiss nichts für empfindsame Gemüter ist. Doch ist er außerordentlich spannend, kaum mag man ihn aus der Hand legen, so sehr nimmt er einen gefangen. Er lässt tief, allzu tief, in die Abgründe nicht nur eines verwirrten Gemüts blicken, die niemandem gefallen können und die sprachlos-wütend machen ob ihrer Anmaßung und Absurdität. Mit voller Konsequenz und Radikalität widmet sich da ein Psychopath, der sich fast wie ein Messias vorkommt, der Aufgabe, etwas in die Tat umzusetzen, was sich leider noch immer viele Menschen in aller Welt, und nicht nur Männer, wünschen: die krasse Beschneidung der Rechte, die sich die Frauen in jahrzehntelangem Ringen erkämpft haben! Eine große Rolle in dem Thriller spielen zudem die Hintergrundhandlungen, spielen die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich vor jenen entfalten und in denen die Hauptakteure allesamt ihre wichtigen Funktionen haben. Jedoch sind die vom Autor ersonnenen Charaktere schwer fassbar, sie polarisieren und erschließen sich erst nach und nach. Niemals hat man das Gefühl, auch nur einen von ihnen je wirklich kennenzulernen oder ihre Beweggründe, ihr Denken und Fühlen, so ganz zu verstehen.
Dies mag man vielleicht als Schwachpunkt des Romans ansehen! Man möchte mehr wissen, mehr Informationen und Einsichten erhalten, die zu einem besseren Verständnis der Charaktere und dem, was sie antreibt, beitragen könnten. Aber ist es tatsächlich ein Schwachpunkt? Gewiss, am Ende bleiben viele Fragen offen, richtig befriedigt ist man nicht. Doch ist das vor allem, wie ich meine, der Dramaturgie geschuldet, denn "Die 7 Farben des Blutes" ist nicht als für sich stehender, abgeschlossener Roman gedacht! Ein Folgeband ist beabsichtigt. Und von dieser Warte aus betrachtet ist es nur folgerichtig, dass gegen Ende des Thrillers neue Fragen aufgeworfen und alte nur ansatzweise beantwortet werden! Den Spekulationen des Lesers über den Fortgang der Ereignisse bleiben Tür und Tor geöffnet, seine Neugierde wird hier nicht gestillt - aber vielleicht im zweiten Band? Warten wir es ab....