Vaddey Ratner

 4,6 Sterne bei 10 Bewertungen
Autor*in von Im Schatten des Banyanbaums, In the Shadow of the Banyan und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Vaddey Ratner, geboren 1970 in Kambodscha, war fünf Jahre alt, als die Roten Khmer an die Macht kamen. 1982 gelangte sie als Flüchtlingskind ohne Englischkenntnisse in die USA, 1990 schloss sie die Highschool als Jahrgangsbeste ab und studierte Südostasiatische Geschichte und Kunst. Ihr Debütroman Im Schatten des Banyanbaums war unter anderem unter den Finalisten des PEN/Hemingway Foundation Awards. Sie lebt außerhalb von Washington, DC.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Vaddey Ratner

Cover des Buches Im Schatten des Banyanbaums (ISBN: 9783293207240)

Im Schatten des Banyanbaums

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Erschienen am 09.02.2016
Cover des Buches In the Shadow of the Banyan (ISBN: 9781849837606)

In the Shadow of the Banyan

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Erschienen am 06.06.2013
Cover des Buches Music of the Ghosts: A Novel (ISBN: 9781476795782)

Music of the Ghosts: A Novel

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Erschienen am 11.04.2017

Neue Rezensionen zu Vaddey Ratner

Cover des Buches Im Schatten des Banyanbaums (ISBN: 9783293004702)
Gruenentes avatar

Rezension zu "Im Schatten des Banyanbaums" von Vaddey Ratner

Wunderbarer Roman über eine schreckliche Zeit
Gruenentevor 9 Jahren

Die Autorin Vaddy Ratner stammt aus Kambodscha. Sie war mit der Fürstenfamilie verwandt, die Mitte der 1970iger Jahre über das Land herrschte. Bis die roten Khmer die Macht an sich rissen und das Land in das totale Chaos stürzten. Dieses Buch erzählt die Geschichte des Mädchens Raami, Alter Ego der Autorin.

Raami ist ungefähr sieben Jahre alt, ist intelligent, lebt glücklich mit der Familie in einem palastähnlichen Haus in Pnom Phen. Sie ist umgeben von Liebe und steckt deshalb ihr eigenes Handicap aufgrund von Kinderlähmung gut weg.  Ihr Vater entstammt der Fürstenfamilie und ist ein erfolgreicher Dichter. Die Mutter kümmert sich um den großen Haushalt und auch um Raamis kleine Schwester.

Raamis größtes Problem ist die Eifersucht auf ihre kleine, perfekte Schwester die sie trotzdem innig liebt und ihre eigene körperliche Beeinträchtigung, durch die sie stark hinkt. Ansonsten wächst sie glücklich und geliebt auf.


Es herrscht plötzlich Krieg. Die Revolutionäre zwingen alle Bewohner der Hauptstadt diese zu verlassen. Die Familie muss fliehen und alles zurücklassen: das Haus, die Bediensteten, die versuchen sich zu ihren eigenen Familien durchzuschlagen, den schönen Garten, den gesamten Hausrat.

Die Revolutionäre führen ihre Repressalien nicht nur gegen die Menschen aus, die Verbindungen zur Monarchie oder Republik hatten, sondern gegen alle Intellektuelle, Ausländer, jeden, der ein wenig Bildung ergattert hat. Sie bringen das Land auf einen Schlag zurück ins Mittelalter.  Tausende von  Menschen werden zwangsweise und willkürlich umgesiedelt. Wer lesen und schreiben kann wird exekutiert.

Raamis Familie wurde zerrissen, die meisten kamen um. Raami machte sich selbst für den Tod des Vaters und der kleinen Schwester verantwortlich.

Das Buch ist in einer fast poetischen Sprache geschrieben. Aus der Sicht eines Kindes und mit der Stimme einer Erwachsenen wird beschrieben, wie ein Land und seine Bewohner, dem Chaos preisgegeben werden und nur durch ausländisches Eingreifen befreit werden konnten. 

Vor allem der letzte Teil, wo beschrieben wird, wie alle Arbeiter knapp vor dem Hungertot jeden Käfer einfach in den Mund steckten und mechanisch immer weiter arbeiteten, geht schon sehr unter die Haut. Ein wichtiges Kapitel der asiatischen Geschichte, das aus einer ungewohnten Perspektive dem Leser begreiflich gemacht wird.


Ausführlicher hier: http://leckerekekse.de/wordpress/im-schatten-des-banyanbaums/

Cover des Buches Im Schatten des Banyanbaums (ISBN: 9783293004702)
M

Rezension zu "Im Schatten des Banyanbaums" von Vaddey Ratner

Wenn die eigene Welt zerbricht
M.Lehmann-Papevor 9 Jahren

Wenn die eigene Welt zerbricht

1975 übernahmen die Roten Khmer die Herrschaft in Kambodscha. Wie so oft nach einer „Revolution“ bedeute dies ein drastische Veränderung nicht nur der Herrschaftsverhältnisse, sondern auch des Alltags. Mitsamt dem, was an Aggression und Rache gegenüber dem „verhassten Regime“ sich nun Bahn brach und der „Umerziehung“ eines ganzen Volkes, das in den nächsten Jahren in aller Härte anstand. Einschnitte, welche die Familie der kleinen Raami umfassend betreffen wird.

Ereignisse, die fast die Regel sind in so vielen Ereignissen der „Umwälzungen“, von Vietnam über Korea bis eben, in diesem Buch, Kambodscha. Ereignisse, die eine frappierende Ähnlichkeit besitzen mit solchen, wie sie u.a. Akbar Omar in der „Festung der neun Türme“ erzählt..

Beide Grundgeschichten ähneln sich im Übrigen auch in den Voraussetzungen. Die Flucht einer gutsituierten Familie, die Bedrängung durch die Revolutionssoldaten. Auch Raama erlebt beim gedrängten, hastigen Aufbruch nur mit dem, was die Hände tragen können, bereits die erste Erschießung, Beiläufig, wie nebenbei. Ein alter Mann, der nicht pariert, der nicht schnell genug ist, wird am Wegesrand kurzerhand erschossen.

„Ein neuer Tag ist angebrochen, Genossen Brüder und Schwestern.
Tragt die revolutionäre Flagge voller Stoltz. Reckt das Gesicht dem glorreichen Licht der Revolution entgegen.“

So die Propaganda. Die Realität war Massenmord, Gefangennehme, Umerziehung, Lager, ständige Bedrohung des Leben für jene, die die ersten Tage überhaupt überlebten.

Raama in ihrem kindlichen Gemüt baut all diese Ereignisse zunächst über weite Strecken hinweg in fantasiereiche Geschichten hinein.

„Du musst „der Dunkle“ sein“, so begrüßt sie den ersten Soldaten der Khmer. Eine Art des Umgangs mit den Ereignissen, die ihr lange Zeit „über den Tag“ helfen, die aber im Anblick von Tot und Not mehr und mehr im Lauf der Erzählung zerbröseln werden. Wie auch ab einem bestimmten Punkt die Gedichte ihres Vaters, die lange Zeit Trost und Weltdeutung zugleich für Raam beinhalteten, ihre Tragkraft verllieren werden.

Und dennoch geht Raama ihren Weg durch diese Zeit, überlebt. Oft mit Glück, manchmal mit kindlicher Weisheit, oft durch Hilfe von anderen.

In Sprache und Stil ist dieser autobiographische Roman eher einfach gehalten, der Protagonisten in der Form angepasst. Und beschäftigt sich in weiten Teilen mit dem inneren Erleben Raamas und weniger mit jener brachialen Gewalt und Unterdrückung, die massiv im Raum stand in jenen Jahren. Öfter erschließt sich erst in den Geschichten Raamas das Geschehen und eine treffende Reflexion des jungen Mädchens, in der sie immer wieder die Kraft für den nächsten Schritt findet.

Eine empfehlenswerte, atmosphärisch dichte Lektüre, an deren Ende wieder einmal die Unsinnigkeit und der menschliche Preis aller fanatischer Ideologie offen im Raume steht.

Cover des Buches In the Shadow of the Banyan (ISBN: 9781849837606)
capkirkis avatar

Rezension zu "In the Shadow of the Banyan" von Vaddey Ratner

Rezension zu "In the Shadow of the Banyan" von Vaddey Ratner
capkirkivor 11 Jahren

“Bury me and I’ll thrive as countless insects
I bend neither to your weapon nor will
Even as you trample upon my bones
I cower not under your soulless tread
Or fear your shadow casting upon my grave.”

Dieses Buch ist mir zu Herzen und an die Nieren gegangen. Es ist schrecklich und es ist großartig. Es lässt einen schlucken, weinen, hoffen, nachdenken – ein Buch, das jeder lesen sollte. Es beschreibt den Terror, den die Roten Khmer über Kambodscha gebracht haben, das Leid, dem die Menschen ausgesetzt waren, die Morde, die Folter, den Hunger, das Elend, aber auch die Hoffnung und den Neubeginn der Überlebenden.

Vaddey Ratner, die Autorin, war fünf Jahre alt als die Roten Khmer die Macht übernahmen und das Land in den glorreichen Kommunismus führen wollten. Um die zwei Millionen Kambodschaner fand in dieser Revolution den Tod, rund 30% der Gesamtbevölkerung. Fast die gesamte intellektuelle Elite des Landes wurde ausgelöscht, eine verlorene Generation. Vertrieben, geschunden, ermordet.

Ratner wurde vom Großteil ihrer Familie getrennt und vier Jahre lang zur Zwangsarbeit gezwungen. Nahe am Hungertod und oft von der Exekution bedroht, entkamen sie und ihre Mutter schliesslich eines Tages und konnten sich in Sicherheit bringen. Die meisten ihrer Familienmitglieder hatten nicht so viel Glück, fast alle starben.
1981 wurden die USA Vaddeys neues zu Hause. Sie sprach kein Englisch, die Kultur war ihr fremd und dennoch schaffte sie später ihren Uniabschluss mit “summa cum laude”. Oft ist sie seit dem in ihr Heimatland gereist, auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, ihrem Volk, den verlorenen Leben. Damit die Geschichte nicht vergessen wird, hat sie sie aufgeschrieben – ein bitteres Zeugnis einer grausamen Zeit, aber auch ein Liebeserklärung an das Leben.

Das Buch ist autobiografisch, doch spielt Ratner nicht selbst die Hauptrolle. Diese Rolle übernimmt die siebenjährige Raami, sie erzählt uns ihre traurige Geschichte und weil es ein Kind ist, das spricht, ist die Wirkung auf den Leser um einiges eindringlicher. Kinder nehmen so viel wahr, doch wie sollen sie etwas verstehen, was selbst Erwachsene nicht begreifen können?

Der Leidensweg der Familie, die mit dem Königshaus verwandt ist, beginnt als der Bürgerkrieg in Phnom Penh Einzug hält. Die Roten Khmer übernehmen die Macht in Kambodschas Hauptstadt, rufen das „Demokratische Kampuchea“ aus und beginnen die Vertreibung der Bevölkerung. Viele Soldaten, die jetzt ihre Macht ausspielen, sind Kinder, die in ihrem Leben nichts anderes als Gewalt und Krieg kennengelernt haben. Auch Raami und ihre Familie müssen ihr Haus verlassen und werden zu einer Reise mit unbestimmten Ziel gezwungen. Sie verheimlichen ihre Herkunft, wissen sie doch genau, was mit ihnen passiert, wenn bekannt wird, dass sie zur Herrscherfamilie gehören. Schon auf diesem Marsch sterben tausende Menschen. Vor allem Kinder und alte Menschen sind den Strapazen nicht gewachsen. Wichtigster Bezugspunkt für Raami in all diesem Chaos ist ihr Papa, der Geschichtenerzähler, der Poet, der Hoffnunggeber.

“I told you stories to give you wings, Raami, so that you would never be trapped by anything – your name, your title, the limits of your body, this world’s suffering.”

Durch seine Worte kann sie manchmal das Grauen um sie herum vergessen, er gibt ihr die Kraft, trotz allem noch an das Gute zu glauben. Irgendwo existiert es noch und sei es in den unscheinbarsten Dingen, man muss nur daran glauben, die Hoffnung nicht aufgeben.

“No matter what ugliness and destruction you may witness around you, I want you always to believe that the tiniest glimpse of beauty here and there is a reflection of the gods’ abode. It is real, Raami. There exists such a place, such sacred space. You have only to envision it, to dare to dream it. It is within you, within all of us.”

Als jedoch eines Tages bekannt wird, dass ihr Vater ein Prinz ist, wird die Familie getrennt. Der Vater wird abgeführt, Raami wird ihn nie wieder sehen. Später erzählt ihr Onkel, dass er seinen Leichnam gesehen hat, geschunden und mit Fliegen übersät. Nach und nach verliert Raami auch ihre restlichen Familienmitglieder, die in verschiedene Teile des Landes geschickt werden, um auf den Feldern zu arbeiten. Die Kommunisten planen, Kampuchea zu einem Agrarstaat zu machen. Geld wird abgeschafft, Bücher verbrannt, Lehrer, Wissenschaftler, Händler, ja selbst Menschen, die einfach nur eine Brille tragen oder lesen können, werden erschossen, erschlagen oder geköpft, um Pol Pots Visionen Wirklichkeit werden zu lassen: eine “blühende kommunistische Zukunft”.

Doch nicht nur die intellektuelle Elite des Landes muss um ihr Leben fürchten. Bald schon bekommt Raami mit, wie ausländisch aussehende Menschen aussortiert werden. Wessen Züge zu vietnamesisch sind, ist sicher ein Kollaborateur, jeder, der eine Fremdsprache beherrscht, ist verdächtig. Auch deren Familienangehörigen und Kinder werden nicht verschont, jeder stirbt. Als Siebenjährige muss Raami all diese Exekutionen mit ansehen. Sie wird gezwungen, auf den Feldern zu arbeiten, zu essen gibt es fast nichts. Um nicht zu verhungern essen die Menschen jedes Insekt, das sie bei der Feldarbeit finden.
Am Anfang sind da noch Raamis Schwester und Mutter, die zu ihr stehen, doch irgendwann steht das Kind allein den Roten Khmer gegenüber, den Aufsehern, die ihr eine Pistole an die Schläfe halten und so tun als würden sie abdrücken. Raami nässt sich in ihrer Todesangst ein, es ist dieser Moment, in dem sich ihre Seele spaltet. Ein Teil von ihr zieht sich von der Welt ganz weit zurück, so weit ins Innere, das man ihm nicht mehr weh tun kann. Raami spricht nicht mehr, sie lebt nicht mehr, sie denkt nicht mehr, sie funktioniert nur noch.

Eines Tages trifft sie ihre Mutter wieder, doch auch die Mutterliebe kann das Grauen nicht auslöschen. Raami wird erst wieder sprechen als vietnamesische Soldaten sie und ihr Mutter aus den Händen der Roten Khmer befreien und sie mit einem Hubschrauber in Sicherheit bringen – ihr erstes Wort ist “Papa”.

Vaddey Ratner schafft den Spagat, diese grausame Geschichte in einer wunderschönen Sprache zu erzählen. Ihr gelingt es über all dieses Elend und der Gewalt, die Hoffnung schweben zu lassen, den Blick auf das Leben und nicht den Tod zu richten. Die Erzählung ist herzzerreißend und doch macht sie klar, dass es das Leben ist, was zählt. Dass der Wunsch, am Leben zu bleiben, größer ist als alles andere und dass er Raami und ihrer Mutter die Kraft gibt, all der Gewalt zu trotzen, sich den schrecklichen Erinnerungen zu stellen und trotzdem weiterzumachen.

“I’m certain, though, he remained resolute in his belief that even without him you would live through this nightmare, that life, with all its cruelty and horror, was still worth living. A gift he would’ve wanted his daughter to embrace.”

Ein wunderbar gewebte Geschichte über die Stärke des menschlichen Willens, die Liebe und die Magie der Worte. Über einen Vater, der seiner Tochter Flügel verliehen hat, der sie hat fliegen lassen, obwohl er schon lange nicht mehr bei ihr war.

“When I lie buried beneath this earth, you will fly. For me Raami. For your papa you will soar.”

Eine Geschichte, die ich nicht so schnell vergessen werde, ja, die nicht vergessen werden darf, gerade in der heutigen Zeit.

Fünf Sterne für “In the Shadow of the Banyan”, eigentlich hätte es sogar mehr verdient.

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