Rezension zu "Talvars Schuld" von Valerie Colberg
Wir begleiten den jungen Tuvar Kadevis, der in der Hauptstadt Kessel in die politische Elite eingeführt werden soll nachdem er seinen Militärdienst beendet hat. Der berühmte Redner und Stratege Malkar wird zu seinem Mentor und so wird Kadevis schneller als es ihm lieb ist in die Machtspiele und Intrigen von Kessel hineingezogen. Sehr bald trifft er nämlich auf Sotan Talvar, ein ehemaliger Kommandant, der vielleicht die Schuld am Tod von Kadevis‘ Eltern trägt, vor Gericht jedoch bereits vor vielen Jahren freigesprochen wurde. Kadevis und der charismatische Mann nähern sich einander an und dann ist da auch noch Talvars bezaubernde Tochter Lerina, für die Kadevis sofort tiefe Zuneigung verspürt.
Von den ersten Seiten an wurde ich in die Geschichte hineingezogen. Mit großer Liebe zum Detail und einer gleichzeitig kunstvollen und lebendigen Sprache beschreibt die Autorin die Orte, die Kadevis kennenlernt und man fühlt sich als sei man selbst auf dem bunten Kesseler Markt, in Malkars reich geschmückten Räumen oder auf Talvars verwildertem Landgut. Kadevis ist ein Charakter mit einem großen Herz, sehr loyal und offenherzig, den man schnell liebgewinnt. Dennoch hat er Schwächen, die ihn menschlich machen. Man wünscht ihm von Anfang an, dass einer der anderen Menschen, denen er so viel Fürsorge entgegenbringt, ihm ebenso treu zur Seite steht.
Genau darin liegt jedoch die Spannung des Buches, denn während Kadevis ein ehrliches Interesse daran hat, mit Malkar oder Talvar ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen scheint es schnell, als würden die zwei Konkurrenten ihn eher als Spielball benutzen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Talvar versucht Kadevis auf seine Seite zu ziehen, obwohl weiterhin der Verdacht besteht er könne für den Tod seiner Eltern verantwortlich sein und Kriegsbeute gestohlen haben. Malkar hingegen will ihn davon zu überzeugen, dass er Talvar erneut vor Gericht bringen muss, um die Ehre seiner Familie zu retten. Kadevis selbst entwickelt schnell innige Gefühle für Lerina und möchte ihr nicht schaden.
Die Darstellung der Figuren hat mir unheimlich gut gefallen. Mein heimlicher Liebling ist Malkar, der stets unnahbar, oft sogar grausam wirkt und dennoch ein komplexer Charakter ist, bei dem man sich stets fragt, was sich hinter seiner Maske verbirgt und warum er derart unfähig ist, andere Menschen an sich heranzulassen. Talvar ist ebenfalls ein untypischer Gegenspieler, da man die Anziehungskraft, die er auf Kadevis ausübt, gut nachvollziehen kann. Sehr oft hat er mein Mitgefühl erregt, da er durch die Entstellung seines Gesichts, die aus dem Krieg rührt, nicht mehr wagt anderen Menschen ohne Verhüllung gegenüberzutreten und dadurch vereinsamt ist.
Die Geschichte spielt in einer an die Antike angelehnte Gesellschaft, was ich äußerst spannend finde, da ich noch nicht viele Romane gelesen habe, die in dieser Zeit spielen. Die Autorin nimmt sich jedoch ihre Freiräume. So sind Frauen in dieser Gesellschaft zum Beispiel gleichberechtigt, nehmen hohe Positionen im Rat ein und sind oft das Oberhaupt der Familien. Autoren ändern oft sehr viel in historisch inspirierten Romanen, die Ungleichbehandlung von Frauen bleibt jedoch fast immer erhalten. Es ist sehr erfrischend zu lesen, wie jemand gerade dieses Detail verändert.
Es würde mich freuen, weitere Romane dieser Art zu lesen und ich bin sehr gespannt auf weitere Werke der Autorin, die übrigens unter dem Pseudonym Kaja Evert „Flügel aus Asche“ veröffentlich hat.