Beinahe hätte ich dieses Buch nur mit knappen 3 Sternen bewertet. So gut die Prämisse auch ist, so sehr schwankt zum Teil auch die erzählerische Qualität. Aber eins nach dem Anderen.
Die Story ist quasi eine klassische Familie-zieht-in-gruseliges-Landhaus-Geschichte. Nach einem mehr oder minder beabsichtigten Suizidversuch von der 37-jährigen Mutter & Ehefrau Sarah Walker zieht die Familie Walker für einen Neuanfang aus Cardiff heraus nach Südwales in ein malerisch am Strand gelegenes, viktorianisches Strandhaus, in dem Ehemann Patrick aufgewachsen ist - und welches vor einigen Jahren allerdings auch Schauort einer Tragödie wurde. Eine Familie wurde bereits dort ermordet. Trotzdem ist Ehemann Patrick wie besessen von dem Haus und dem vermeintlich perfekt-idyllischen Neuanfang mit der Familie. Doch schon bald nach dem Einzug mehren sich seltsame Vorkommnisse wie Beobachter am Haus, plötzlich erscheinend Hinweise auf die Vergangenheit des Hauses, und Patrick, der sich immer seltsamer und unheimlicher verhält... denn nichts in dem Haus ist wirklich so, wie es scheint. Patrick scheint schlimme Geheimnisse zu haben, und die Dinge geraten sehr bald außer Kontrolle...
Der Schreibstil der Autorin Vanessa Savage liest sich ganz gut und flüssig, vielleicht ein klein wenig zu Roman-artig, und sie wiederholt im Laufe des Buches leider doch arg viele Worte.
Der Aufbau ist an sich sehr interessant gestaltet, geschrieben in der Ich-Perspektive von Sarah Walker, unterteilt in vier "Akte" wie ein Theaterstück (und das hat auch einen bestimmten Grund. Am Ende der Geschichte wird es klar.), und zwischendrin kommen kürzere Zwischentexte von einer bis zum Schluss unbekannten, mysteriösen Person mit Bezug zum Haus. Leider unterlaufen der Autorin in der Gesichte etliche Plot Holes und plötzliche Sprünge in Zeit oder Lokalitäten. Manchmal ist Person A auf einmal ganz woanders, und zusammen mit Person B, die man vorherigen Situation gar nicht auf dem Zettel hatte, und man hat als Leser keine Ahnung, wie die beide dorthin kamen; usw. Auch tendiert die Story manchmal eher mehr in Richtung Familiendrama als Thriller, aber nicht übermäßig zum Glück.
Zudem steigt die Spannungskurve zwar schön kontinuierlich an, je mehr sich die relativ komplexe Hintergrundgeschichte mit Patricks Vergangenheit aufbaut, jedoch sackt sie etwa in der Mitte wieder kräftig ab, nur um dann schnell wieder rasant anzusteigen um letztlich in einem fulminanten Finale zu münden. Eine Achterbahnfahrt der Erzählqualität. Dennoch sind einige der Plot Twists wirklich sehr gelungen und zum Teil sehr packend geschrieben. Besonders das Finale lässt einen mit einem sehr geschockten Gefühl zurück, es hallt noch lange nach.
Hauptgrund dafür sehe ich in den Charakteren: Ehefrau Sarah ist eine zutiefst unsichere und stellenweise absurd unterwürfig wirkende Persönlichkeit, mit der nicht jeder Leser warm werden wird - auch ich nicht so recht. Zwar liebt sie ihre Kinder, leidet jedoch unter ihrem Dasein als Hausfrau, für das sie ihren Traum als Künstlerin aufgeben musste. Deshalb hat sie psychische Probleme und ist sehr oft fahrig und schnell verängstigt. Und das bis zum Finale der Gesichte hin durchgehend, mit viel zu wenig character development. Das besonders fand ich sehr schade. (Daher auch der oben genannte Absacker.) Ihr Ehemann Patrick ist - mit Verlaub - ein widerliches Scheusal von Mensch, und falsch ohne Ende. Er scheint kontrollsüchtig, herrisch, machohaft, absolut nicht kritikfähig und latent jähzornig zu sein. Und Sarah lässt sich fast immer alles von ihm gefallen, so schlimm es auch ist. Dies wird zwar im Laufe der Story sinnvoll begründet, aber dieses permanente Übermaß an Unterwürfigkeit und Unsicherheit bei ihr stieß mir irgendwann übel auf, es begann zu nerven. Die 15-jährige Tochter Mia ist wie ein typischer Teenager ihres Alters: Oft frech, vorlaut, zickig, launisch, aber auch unsicher und wirkt oft überfordert. Der 17-jährige Sohn Joe dagegen ist ein kluges Sensibelchen und der geheime Sympathieträger der Gesichte, der stille Leidende der ganze Situation, und das kommt im Buch sehr gut rüber. Zudem die Nebencharaktere wie der mysteriöse Künstler Ben, der aus Patricks Vergangenheit stammt, oder die ebenso komische Fremde namens Anna, die mit ihrem düsteren Gothic-Look und künstlerisch-kreativer Ader viele meiner Sympathiepunkte bekam, und die noch eine ganz entscheidende Schlüsselrolle in der Geschichte spielen wird.
Die Location im eigentlich wunderschönen, aber im Winter rauen und nebligen Südwales wird toll genutzt von den reinen Örtlichkeiten her, jedoch recht wenig bildhaft beschrieben. Vieles wird hier der Fantasie des Leser überlassen. Kann man mögen oder nicht.
Fazit: Die vielschichtige Story um die Familie Walker kann durch gutes Setting, spannende Entdeckungen und einige sehr packende twists zum Ende hin wieder voll überzeugen, während es im Mittelteil leider einen leichten Durchhänger hat. Die Problem-belasteten Charaktere werden allerdings nicht jedermanns Sache sein. Dennoch ist dies eine gelungenes Psychothriller-Familiendrama, welches fesselt und sich zu Lesen lohnt.