Auf „Das geheime Leben der Tiere: Wald 1 Die weiße Wölfin“ von Vanessa Walder wurde ich aufmerksam, als die Buchreihe in unsere Schulbibliothek einzog. Schon der Titel, das atmosphärische Cover und der spannend formulierte Klappentext weckten meine Neugier. Ich erwartete ein realistisches Kinderbuch über das Leben einer Wölfin in freier Wildbahn - und genau das bekam ich, zumindest größtenteils.
Vanessa Walder verbindet in dieser auf wahren Begebenheiten basierenden Geschichte packende Erzählkunst mit fundiertem Fachwissen. Die Verhaltensweisen der Wölfe sind äußerst natürlich beschrieben, wodurch die Geschichte eine starke Authentizität erhält.
Die weiße Wölfin namens Fünf ist dabei mehr als nur eine Hauptfigur - sie steht stellvertretend für das soziale Gefüge innerhalb eines Wolfsrudels. Die Dynamik in der Gruppe, die Rolle weiblicher Anführerinnen und die Bedeutung jedes einzelnen Rudelmitglieds - vom Leitwolf bis zum scheinbar unbedeutenden Nachzügler - werden nachvollziehbar und eindrucksvoll dargestellt. Besonders wertvoll ist die Botschaft, dass nicht nur der Erste zählt, sondern auch der Letzte eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft spielt.
Die Erzählung zeichnet ein schonungsloses Bild vom Überlebenskampf in der Natur. Gewalt, Gefahr und Verlust werden offen thematisiert, was das Buch von vielen anderen Tiergeschichten für Kinder deutlich abhebt. Für empfindsame Kinder ist dieser erste Band der Reihe definitiv eine Herausforderung - aber genau diese realistische Darstellung macht auch die Stärke des Buches aus.
Besonders beeindruckt hat mich, wie Vanessa Walder Themen wie Mut, Ausdauer und Zusammenhalt aufgreift. Trotz aller Härte schenkt das Buch Lesenden Momente der Hoffnung - zumindest bis zum Ende.
Denn das Ende hat mich als erwachsene Leserin regelrecht erschüttert. Es ist drastisch, brutal und könnte für Zartbesaitete sehr verstörend wirken. Die emotionale Fallhöhe, die sich über das ganze Buch aufbaut, wird mit einem einzigen Satz zerstört. In meinen Augen ist das Finale unnötig traumatisierend.
Daher halte ich die Altersempfehlung des Verlages ab 8 Jahren für zu niedrig. Kinder, die dieses Buch lesen, sollten über eine gewisse emotionale Reife verfügen und mit der Realität des Tierlebens in der Natur umgehen können.
Schade ist, dass bislang nur wenige Titel der Reihe als Hörbuch erschienen sind. Für viele Familien – wie auch für uns - wären Hörbücher eine ideale Ergänzung. Ich hoffe, dass in Zukunft noch mehr Bände vertont werden.
Trotz meiner Kritik am Ende des ersten Bandes hat mich die Reihe neugierig gemacht. Ich plane, auch die weiteren Bücher über Tiere in der Arktis, Savanne oder im Ozean zu lesen – mit der Hoffnung auf ebenso starke, aber vielleicht etwas kindgerechter erzählte Geschichten.
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