Rezension zu "Anjar 1939–2019" von Vartivar Jaklian
*...the extraordinary resilience of the people of Musa Dagh did not end with their survival in 1915. It continued through the twentieth century as the community started over, rebuilt and reinvented itself a number of times during that period.*
Die Kleinstadt Anjar liegt im Libanon und blickt auf eine besondere Geschichte zurück: Im Jahr 1939 wurde das moderne Anjar unter dem Schutz der Kolonialmacht Frankreich für mehrere tausend Armenier gegründet, die dem Völkermord entgangen waren und sich am türkischen Berg Musa Dagh halten konnten. In diesem Bildband wird die Entwicklung der Stadt nachvollzogen um als ein Dokument der architektonischen Errungenschaften der Armenier im Libanon zu dienen.
Das Vorwort und die Einleitung vereinen Überlegungen zur erzwungenen Migration, zu Verbindungen innerhalb der Diaspora, zur Identitätsbildung und dem Zusammenfinden als Gemeinschaft. Der mühsame Weg in eine neue Heimat, die unterschiedlichen Emotionen dazu aber auch die neuen Herausforderungen werden angesprochen. Dazu zählt auch die Planung der neuen Heimat. Die sechs Dörfer vom Musa Dagh mussten lernen zusammenzuleben, ihre Gemeinsamkeiten zu erkennen aber auch Platz und Raum für ihre unterschiedlichen religiösen Einstellungen und eigenen Traditionen finden. Hier finden sich sowohl Hintergrundinformationen zur Stadt selbst als auch zum Projekt, das zu diesem Buch geführt hat.
Durch die Augen des Filmemachers und des Fotografen mit Schwerpunkt Architektur wird ein Blick auf Anjar geworfen, das als einziges armenisches Dorf außerhalb Armeniens als Symbol für einen positiven Umgang mit Flüchtlingen gelten soll. Die schwarz-weiß Fotografien konzentrieren sich auf Blicke auf die Stadt. Neben Straßenkreuzungen sind es Gebäude unterschiedlichster Funktion, die hier gezeigt werden.
Auf mich wirkten die Bilder wohl anders, als intendiert ist. Der Verzicht auf Menschen auf den Fotografien – zusammen mit der Tatsache, dass jegliche Farbe fehlt - hat viele der Gebäude auf mich unbewohnt wirken lassen. Gerade wenn es um das Thema Flüchtlinge geht, wäre mein Augenmerk mehr auf den Menschen gelegen. Das Fehlen von Bildunterschriften hat dazu geführt, dass ich nicht immer erkannt habe, warum das Auge des Fotografen gerade auf dieses bestimmte Gebäude gefallen ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Bilder für all jene, die einen Bezug zur Stadt oder den Bewohnern haben, interessant wirken, da mir dieser Bezug fehlt, habe ich eine ganz andere Stimmung wahrgenommen, als von den Autoren beabsichtigt.
Fazit: Die Einleitung samt den Fakten zur Geschichte der Stadt fand ich sehr interessant – auch die Bilder haben auf mich gewirkt, wenn wohl nicht so, wie beabsichtigt war. Vieles empfand ich als geheimnisvoll und hat mich an Aufnahmen von Lost Places erinnert, was wohl daran lag, dass Menschen auf den Fotografien so gut wie nie zu sehen sind.