Rezension zu "Epitaph eines königlichen Feinschmeckers" von Veljko Barbieri
„Wenn man einmal in den Abgrund gestoßen wurde, kommt man nicht mehr zurück. Dafür sorgt wahrscheinlich das Schicksal, damit es weniger Unglückliche auf dieser Welt gibt.“
Der Protagonist dieser herrlichen Satire wird in den Abgrund gestoßen, denn in der (nicht näher bezeichneten) diktatorischen Gesellschaft, in der er lebt, wird er als Widerstandskämpfer verfolgt. Sein Verbrechen gegen die Gemeinschaft: Er kocht. Und zwar fantasievoll.
In einem Staat, in dem Essen nur als Nahrungsaufnahme zur Erhaltung der Arbeitskraft gesehen wird, in dem man sich aus Konserven mit klangvollen Namen wie „Gemüsekonserve Nr. 44“ ernährt, wird das nicht zugelassen. Individualismus wird in totalitären Gesellschaften als Gefahr eingestuft.
„Sie benehmen sich, wie es Ihnen gerade gefällt, und das, Verehrtester, ist ein Verbrechen.“
Der „Chef“, der für die Bestrafung des Protagonisten zuständig ist, ergreift also Gegenmaßnahmen. Pfeffer gilt fortan als exotisches Gewürz und darf nicht mehr gekauft werden. Später gibt es eine detaillierte Liste, was der Protagonist noch einkaufen und zu welcher Mahlzeit er welche Lebensmittel verwenden darf. Als er es trotzdem noch schafft, schmackhafte Gerichte zu zaubern, wird die Schraube weiter angezogen, bis ihm schließlich der Prozess gemacht wird. Ohne rechtliche Grundlage, denn er wird nicht nach dem Gesetz, sondern „nach den Bestimmungen der öffentlichen Ordnung und Moral“ bestraft, wird ihm der Kauf und Erwerb jeglicher Lebensmittel und das Essen in Restaurants verboten. Der Staat ist human und verhängt keine Todesstrafe. Er sorgt nur für einen Hungertod.
Daraufhin bleibt dem Protagonisten nur noch der Ausweg, es Apicius nachzutun.
Die Absurdität der Auswüchse eines totalitären Staates wird hier meisterhaft auf die Spitze getrieben. Der Protagonist gerät in eine kafkaeske Situation, jedoch ohne dass der Text deprimierend wird. Der kurze Roman liest sich durchaus unterhaltsam, obwohl einem das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt.
An einer lächerlich alltäglichen Situation wird aufgezeigt, wie genussfeindlich ein derartiges Regime ist. Der Wille zur unbedingten Gleichmacherei, die Bekämpfung jeglicher Individualität und Kreativität führen zu einer freudlosen Existenz. So kann eine Gesellschaft nicht gedeihen.
Dieser lesenswerte Roman ist zeitlos, denn die Hülle der Demokratie, die vor solchen totalitären Auswüchsen schützt, wird auch heutzutage immer dünner und zunehmend angekratzt.