In zwei Zeitebenen erzählt, entfaltet sich ein ebenso leises wie erschütterndes Drama rund um Schuld, Gerechtigkeit und die bleibende Wirkung patriarchaler Strukturen.
Der erste Handlungsstrang spielt Anfang der 1980er Jahre in einem abgeschiedenen sardischen Dorf, in dem das Leben von Armut, Abhängigkeit und tief verwurzelten Traditionen geprägt ist. Aus der Perspektive verschiedener Dorfbewohner:innen erleben wir ein fein gesponnenes Netz aus Alltagsbeobachtungen, stummen Kämpfen und verdrängter Gewalt. Im Mittelpunkt steht Franca, ein eigensinniges junges Mädchen mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ihre Sicht auf die Ungerechtigkeiten des Dorflebens, auf Lüge, Machtmissbrauch und das Schweigen der Gemeinschaft, verleiht der Geschichte eine bedrückende Intensität.
Vierzig Jahre später begegnen wir dem gleichen Ort in fast völliger Verlassenheit. Nur ein alter Mann, seine Pflegerin und Tilda, eine deutsch-italienische Architektin, leben dort. Tilda hat selbst schwere Traumata in Deutschland erlebt und sucht in der Einsamkeit dieses sardischen Dorfes Heilung. Sie kauft ein altes Haus für einen symbolischen Euro – eine reale Strategie, mit der die italienische Regierung verlassene Dörfer wiederbeleben will – und beginnt, es eigenhändig zu renovieren. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht so einfach überbauen: Nach und nach deckt Tilda dunkle Geheimnisse auf, die eng mit der Geschichte des Dorfes, mit Franca und dem patriarchalen System verknüpft sind.
Buck gelingt es, die einzelnen Erzählstränge mit großer sprachlicher Präzision und psychologischem Feingefühl zusammenzuführen. Was zunächst wie ein Puzzle wirkt, fügt sich Seite um Seite zu einem dichten, atmosphärisch starken Gesamtbild zusammen. Besonders eindrücklich ist dabei die thematische Verknüpfung des Romans mit realen gesellschaftlichen Phänomenen: die sogenannte „Entführungsindustrie“ Italiens, bei der Menschen aus finanziellen Gründen verschleppt wurden, und die brutale Praxis, vergewaltigte Frauen zu Zwangsehen mit ihren Tätern zu drängen, um die „Ehre“ der Familie zu wahren.
„Der dunkle Sommer“ ist nicht nur ein spannender Krimi – er ist ein literarischer Kommentar zu tiefgreifenden Ungleichheiten und verdrängten Traumata. Bucks Sprache ist klar, dicht, dabei aber nie reißerisch. Ihre Figuren sind vielschichtig, glaubwürdig und berührend – allen voran Franca und Tilda.
Fazit:
Ein mitreißender, kluger und tiefgründiger Roman, der weit über das Genre des Krimis hinausgeht. „Der dunkle Sommer“ erzählt von Gewalt, Schweigen und Widerstand – und von der Kraft der Frauen, sich dem zu widersetzen. Unbedingte Leseempfehlung!