Rezension zu "Abschied von der Opferrolle" von Verena Kast
(Meine Rezension bezieht sich auf die 2. Auflage von 2021.)
Eins vorweg, ich bin nicht vom Fach. Ich habe keinen Plan von Psychologie oder gar Tiefenpsychologie. Dennoch habe ich mich an das Buch im Rahmen einer Recherche zum Thema herangetraut.
Der Text war für mich als Laie* recht anspruchsvoll zu lesen. Deshalb habe ich mir viel Zeit gelassen und dabei versucht, mir das komplexe Beziehungsgefüge, das dort erläutert wird, bildlich vorzustellen. Mein Plan war, es nachzuempfinden und mit Beobachtungen aus dem Alltag abzugleichen. Leider ist das bei diesem Buch besonders schwer. Zum einen ist da, wie gesagt, der für Fachfremde recht komplexe, dichte Text. Zum anderen wird dieser Text unnötig verkompliziert, in dem immer wieder Doppelnennungen eingestreut werden, die weder was zum Textverständnis, noch zu den darin getätigten Aussagen beitragen. Sie sind sinnlose Füllsel, die mit jeder Seite, mit der man sich durch diesen Fachtext kämpft, mehr und mehr stören. Ab Seite 127 haben sie mich so sehr genervt, dass ich das Buch abgebrochen habe. Mir ist einfach meine Lebenszeit für sowas zu schade.
Ein Beispiel von besagter Seite 127: „Und es ist nicht immer so, dass der Analysand oder die Analysandin immer mit dem Kindanteil identifiziert wäre, und der Therapeut oder die Therapeutin jeweils mit dem Erwachsenenanteil. Man kann als Therapeut oder Therapeutin ganz leicht in die Kindposition im Sinne des Komplexes kommen.“
Diese Sätze wirken auf mich beim Lesen so, als würde ich ein Brettspiel spielen, bei dem ich mühsam ein Feld nach dem anderen vorrücke. Und wenn ich glaube, einen dieser für Laien recht komplizierten Sätze oder Teilsätze durchdrungen zu haben, komme ich auf ein Feld (alias „die Doppelnennung“) und werde um zwei Felder zurückgeworfen, was ungeheuer frustrierend ist. Ich fliege aus dem ganzen Satzzusammenhang heraus und darf von vorne zu lesen anfangen, wenn ich den Satz wirklich verstehen will. Oder ich überfliege es einfach und bekomme deutlich weniger vom Inhalt mit.
Ich habe die 2. Auflage von 2021 gelesen. Vielleicht liege ich falsch, aber ich kann nur vermuten, dass diese auffällige Häufung von Doppelnennungen dem momentanen Zeitgeist geschuldet ist, als eine Art Kompromiss zu den Sternchen, Doppelpunkten, Unterstrichen, Partizipalformen, Binnen-I’s usw. (Danke, lieber Herder-Verlag, dass ihr wenigstens darauf verzichtet habt …) Nach dieser für mich frustrierenden Leseerfahrung werde ich in Zukunft darauf achten, möglichst keine Sachbuchausgaben zu kaufen, die nach 2019 veröffentlicht worden sind. Oder ich versuche, möglichst auf antiquarische Ausgaben zurückzugreifen.
*) Wenn es „der Laie“ heißt, bin ich dann eine Laiein?