Cover des Buches Der letzte Tag eines Verurteilten (ISBN: 9783257212341)
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Rezension zu Der letzte Tag eines Verurteilten von Victor Hugo

Rezension zu "Der letzte Tag eines Verurteilten" von Victor Hugo

von Sokrates vor 14 Jahren

Rezension

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Sokratesvor 14 Jahren
Die "letzten Tage" sind ein Plädoyer für die Abschaffung der Todesstrafe; insbesondere in Zeiten des Schafotts zu Zeiten Hugo's. In guter, wenn auch noch nicht ausgereifter Form gelingt es Hugo die inneren Zustände des Todeskandidaten zu beschreiben. Seine Sprache ist fesselnd, wenn sie auch noch nicht die Klarheit und Originalität eines späteren Hugo (vgl. Miserablés) aufweist. Dennoch gelingt es Hugo, den Leser zu begeistern. Die Tragik der Handlung wird - so ging es mir - erst nach Beendigung des Buches klar und deutlich; während man liest bleibt es die bloße Erklärung von Zuständen und inneren Eindrücken. Eine Zustandsbeschreibung. Seine wirkliche Wirkung entfaltet das Buch auf den Leser erst dann, wenn er nach Beendigung der knappen 120 Seiten das Buch zur Seite legt und nachdenkt, reflektiert. Der Roman ist eigentlich weniger eine laute, denn eine stille - leise - Anklage gegen die Todesstrafe, insbesondere ihren Vollzug vor Publikum. Noch heute erleben wir die Begeisterung des "Mobs" in den USA. Der Vollzug erscheint als Spektakulum für die Massen; weniger mit belehrendem denn mit unterhaltendem Charakter. Bereits dies kritisiert Hugo an den Massenexekutionen in Paris, bei denen das Publikum in Scharen herbei strömte. Gleichzeitig zeigt er die Morbidität und die Sinnlehre des Systems: einerseits die akribischen und emotional abgerückten - vielleicht auch nur ehrgeizigen - Juristen, die sich an die Verurteilung des Verbrechers machen; andererseits die Geschworenen, die einzig müde sind und deshalb kein wirkliches Interesse für die Verhandlung und Urteilsverkündung des Angeklagten aufbringen. Sein Anwalt meint mit dem Antrag, statt der Todesstrafe den lebenslangen Arbeitsdienst als mildere Strafe vorzuschlagen und dem Betroffenen einen Gefallen zu erweisen. Ist das Urteil endlich verkündet, so erscheint es fast sinnlos und wie eine bloße Formalität, das Urteil auf Formfehler hin anzufechten und für den Verurteilen vielleicht doch eine Verringerung der Strafe zu erwirken. Alles in Allem ein Roman, der einerseits den Leser sehr anspricht, ihn traurig stimmt; andererseits von einem Fatalismus der Betroffenen kündet. Im Übrigen stellt sich einmal mehr die Frage, welchen Zweck eine Todesstrafe überhaupt hat: befriedigt sie die Gesellschaft in ihrer Schaulust (= aufgebrachter Mob), soll sie erzieherisch wirken (= was bereits widerlegt ist) oder soll sie Ordnung in die Gesellschaft bringen (= was ebenfalls nichts brachte). Einen wirklichen Nutzen hat die Todesstrafe nicht; das zeigen die unterschiedlichen Beteiligten und ihre Verhaltensweisen: Für den einen ist es eine bloße Routine (= Beamter/Jurist), für den anderen eine Sache, mit der er sein Geld verdient (= Gefängnisgeistlicher), für andere wiederum blanke Unterhaltung (= Zuschauer). Insgesamt: Prädikat besonders wertvoll !!
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