Cover des Buches Das Flüstern der Seelen (ISBN: 9783404168859)
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Rezension zu Das Flüstern der Seelen von Victoria Álvarez

Das Flüstern der Seelen

von FabAusten vor 10 Jahren

Rezension

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FabAustenvor 10 Jahren

Das herzkranke Mädchen Annabel wächst bei ihrer Tante und ihrem Onkel auf dem düsteren Friedhof Highgate im viktorianischen London auf. Ihre Mutter fällt als Prostituierte dem wohl berühmtesten Serienmörder Jack the Ripper zum Opfer und erscheint kurz darauf ihrer Tochter. Fortan kann Annabel Geister sehen und davon gibt es in Highgate erwartungsgemäß viele. So entwickelt sich das Mädchen zu einem begabten Medium, das Angehörigen hilft, ihre Trauer zu verarbeiten und die Geister ins endgültige Jenseits zu überführen. Nach einem dramatischen Ereignis flüchten Annabel und ihre Tante Heather mit Hilfe eines fremden Gentleman aus ihrem bisherigen Zuhause. Die junge Frau verliebt sich sofort in den gutaussehenden Mann.
Jahre später ist sie eines der gefragtesten Medien der Londoner High Society. Da tritt der geheimnisvolle Gentleman erneut in ihr Leben und zu ihrer Überraschung und Leidwesen ist auch er ein Geist. Und ein weiterer Mann taucht aus ihrer Vergangenheit auf und verliebt sich rettungslos in die Dame mit den übersinnlichen Fähigkeiten. Obendrein soll die ihm helfen, Jack the Ripper dingfest zu machen.

Der Roman beginnt sehr vielversprechend. Die Atmosphäre auf dem Friedhof ist stimmungsvoll. Die Gabe, die Annabels Leben bestimmen wird, wird nachvollziehbar eingeführt. Es wirkt ganz selbstverständlich, dass sie plötzlich Geister sieht und mit ihnen kommunizieren kann. Auch das Geheimnis um den Tod ihrer Mutter bewirkt eine gewisse Spannung, die zum Weiterlesen motiviert.


Als Annabel Highgate hinter sich lässt, gibt es einen Bruch. Der Leser trifft sie etwa zehn Jahre später, als sie mit Heather und ihrer Schülerin Ada in einer vornehmen Wohnung lebt und sehr erfolgreich als Medium arbeitet. Dieser Abschnitt wird sehr stark durch die zwischen ihr und dem toten Gentleman aufkeimende Liebesbeziehung geprägt. Ja, tatsächlich sie haben eine Liebesbeziehung. Und nun driftet die Geschichte wirklich unangenehm stark ins Schwülstige und Schmalzige ab. Umso ärgerlicher ist dies, wenn der Kauf unter der Prämisse erfolgte, dass es sich gemäß des Klappentextes, um eine Art Schauerroman handelt, in der es um unheimliche Ereignisse und kriminalistische Begebenheiten geht. Die recht blumige Sprache, die anfangs durchaus passend für die viktorianische Zeit wirkt, ufert immer mehr aus, wird zuckeriger und damit sehr nervtötend. Unter anderem resümiert Nathan, der lebendige Verehrer Annabels, auf Seite 210: „Wenn sie sich in seiner Nähe aufhielt, war die Luft reiner,“ – und Achtung- „geheiligt von ihrem Atem.“ Hust, hust. Awkward. Und solche Stellen gibt es zuhauf. Damit schlittert der Roman immer mehr in Richtung „Schundroman“.


Leider wirkt die Protagonistin im Laufe des Romans eher unsympathisch und verhält sich mitunter recht egozentrisch. Abgesehen davon wirken die übrigen Charaktere etwas eindimensional, was besonders auf die beiden Verehrer von Annabel zutrifft.


Auch wird der Roman zusehends langatmig. Die Seiten werden mit Sätzen gefüllt, die wahrscheinlich schön klingen sollen. Doch leider transportieren sie herzlich wenig Inhalt. Schon vor der Hälfte des Romans, stellt sich die Frage, ob ein Weiterlesen überhaupt möglich ist. In diesem Fall wurde die Frage irgendwann mit einem Nein beantwortet.

Die Geschichte entwickelt sich mitunter zu problemlos, dann wieder zu holprig. Dabei ist das Hauptproblem, dass häufig nicht nachvollziehbar ist, wie Victoria Àlvarez es dabei von A nach B schafft. Es werden Schlüsse gezogen, ohne sie irgendwie herzuleiten. Und es gibt Sprünge wie auf einer Langspielplatte, die ebenso zu logischen Brüchen in der Geschichte führen.


Dann gibt es ein paar ungelenke Formulierungen. Seien sie nun der Autorin oder der Übersetzung anzulasten, schwächen sie in jedem Fall sehr stark den Gesamteindruck. Zum Beispiel heißt es auf Seite 135: „Vor der Tür stand schon die Kutsche. Die Kutsche wartete schon.“ Oder auf Seite 159 begrüßt Annabel „Damen und Herren“, obwohl neben den beiden Männern nur noch eine Dame anwesend ist.



Ein Satz mit X. Das war wohl nix.
Was vielversprechend beginnt, verliert sich in schwülstiger Belanglosigkeit. Für Freunde von Liebesromanen mag das die richtige Mischung sein. Eine wirkliche Täuschung und Enttäuschung ist es jedoch für jeden Leser, der sich auf eine spannende, düstere Geschichte gefreut hat. Und umso ärgerlicher, da er sie anfangs zu finden glaubt.

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