Rezension zu "Wie meine Internet-Liebe zum Albtraum wurde" von Victoria Schwartz
Die Hamburgerin Victoria Schwartz lernt bei Twitter Kai Cruz kennen. Schon bald hat es den Anschein, als hätten sich Seelenverwandte gefunden, und obwohl der Münsteraner sich zurzeit auf Jamaika befindet, reißt der Kontakt nicht ab. Sie schreiben sich trotz des Zeitunterschieds häufig über WhatsApp und auf Facebook, wo Victoria auch einige seiner Familienmitglieder und Freunde kennenlernt.
Beide verlieben sich ineinander, und Kai schickt ihr – sowie später auch ihren kleinen Söhnen – immer wieder Pakete mit Geschenken als Zeichen seiner großen Zuneigung.
Als endlich seine Rückkehr nach Deutschland näher rückt, vereinbart das Paar ein erstes, von beiden lange herbeigesehntes persönliches Treffen bei Kai in Münster, das er jedoch aus einem wichtigen Grund kurzfristig absagen muss.
Natürlich ist die Enttäuschung bei der verliebten Victoria groß, doch sie kann ihn verstehen.
Als sich jedoch das Nicht-Zustandekommen von geplanten Besuchen wiederholt, weil Kai immer wieder etwas Schwerwiegendes dazwischenkommt, keimt bei ihr langsam Misstrauen auf. Doch ihr Freund versteht es stets, dies zu zerstreuen. Mehr noch: Er wirft ihr fehlendes Vertrauen und mangelnde Liebe vor und zieht sich zurück … um sich dann doch bald wieder zu melden.
Aber trotz aller Verliebtheit und Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft wird Victoria zunehmend argwöhnisch. Ihre Sinne sind geschärft, und so entdeckt sie immer mehr Ungereimtheiten.
Doch bis sie erkennt, dass der Mann, der sich Kai Cruz nennt, für sich nicht nur 1, sondern zahlreiche falsche Identitäten im Internet erschaffen hat, die er auch ihr gegenüber verwendet, dauert es noch eine ganze Weile.
Resümee:
Die Hamburgerin Victoria Schwartz arbeitet als Kommunikationsdesignerin und Texterin für diverse Verlage und ist auch als Autorenfilmerin sowie Familien- und Wirtschaftsmediatorin tätig.
Darüber hinaus engagiert sie sich für Menschen, die Opfer von Realfakes geworden sind oder dies befürchten; sie können sich über ihre Seite www.realfakes.net an sie wenden.
Das Wort „Realfake“ hat Victoria Schwartz selbst geschaffen. Es beschreibt Personen, die für sich im Internet aufwändig komplett andere und völlig glaubhafte Identitäten kreieren und ausleben, um die Zuneigung – möglichst Liebe - anderer zu gewinnen. Ihre Motivation ist im Gegensatz zu Romance / Love Scammern nicht finanzieller Art, sondern ihnen geht es ausschließlich um Gefühle und emotionale Bindung. Dabei beteuern sie selbst ihrem Gegenüber immer wieder tiefe Zuneigung und beweisen diese durch zum Teil teure Geschenke.
Victoria Schwartz - eine intelligente Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und beziehungsmäßig durchaus erfahren ist - hat ihre persönlichen Erlebnisse mit einem Realfake in diesem Buch niedergeschrieben:
Ihre Beziehung zu dem Mann, der sich Kai Cruz nennt, entwickelt sich von der ersten Kontaktaufnahme bei Twitter bis zum Verliebtsein völlig normal. Selbst als (kritischer) Leser hatte ich zu keinem Moment auch nur den Hauch eines mulmigen Gefühls.
Was allerdings später geschieht, ist schier unglaublich. Es liest sich wie ein Psycho-Thriller, der sich für die verliebte Frau zu einem zermürbenden emotionalen Albtraum entwickelt.
Aber auch hier ging es mir noch lange Zeit wie ihr: Es kann ja durchaus passieren, dass der Partner wiederholt das lange ersehnte erste Treffen kurzfristig aus Gründen absagen muss, die man gut nachvollziehen kann. Schließlich bedauert er das auch stets aus tiefstem Herzen, beteuert immer wieder seine Liebe, wirkt ehrlich betroffen, wenn man sein Verhalten kritisiert und überrascht mit persönlichen Geschenken, die via Paket aus dem entfernten Ausland, in dem er sich gerade aufhält, ankommen.
Es ist für Victoria eine lange dauernde Achterbahnfahrt zwischen Liebe – Argwohn – Kontaktpause – Versöhnung - Hoffnung – Enttäuschung, bis sie schließlich intensive Recherchen anstellt und dem realen Kai Cruz auf die Spur kommt.
Nachdem sie im ersten Teil dieses autobiografischen Buches ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Mann, der sich ihr als Kai Cruz vorstellte, erzählt hat, steht das zweite Kapitel unter der Überschrift „Das Phänomen Realfakes“.
Dabei beschreibt sie unter anderem unterschiedliche Fake-Typen, deren Motive, typische Verhaltensweisen und psychologische Manipulations-methoden. Sie schildert ein paar Standardgeschichten, erklärt, wie man sich schützen kann, welche Recherchemöglichkeiten es gibt und wie die Rechtslage aussieht.
Wie bereits erwähnt, können sich Menschen, die den Verdacht hegen oder die Gewissheit haben, es mit einem Realfake zu tun zu haben, an Victoria Schwartz wenden über www.realfakes.net.