Den Inhalt von Viet Thnah Nguyens Roman Der Sympathisant zusammenzufassen, fällt alles andere als leicht: Der namenlose Protagonist ist ein Spion, ein Doppelagent, der für die Republik Südvietnam arbeitet, seit seiner Jugend aber der kommunistischen Bewegung aus dem Norden angehört. Als Saigon 1975 fällt, flieht er zusammen mit anderen Mitgliedern der vietnamesischen Elite in die USA. Das Leben im Exil fällt ihm anders als vielen seiner Landsleute leichter, wohl auch da er aufgrund seines Status – er gilt als Bastard einer vietnamesischen Mutter und eines französischen Pfarrers –, selbst im eigenen Land nie wirklich dazugehörte. Obwohl er dem westlichen Lebensstil nicht gänzlich abgeneigt ist, fühlt er sich weiterhin den Gedanken des Kommunismus verpflichtet und beschließt – natürlich erneut unter Tarnung – nach Vietnam zurückzukehren. Doch seinen Genossen kommt er nach der langen Zeit im Westen verdächtig vor, sodass er nach seiner Einreise in einem Umerziehungslager des Vietcongs landet. Sein Aufenthalt hier stellt den Ausgangspunkt des Romans dar, von dem er aus rückblickend sein Leben zusammenfasst, bis er schließlich voller Zweifel selber nicht mehr weiß, an was er glauben soll.
Diese Zusammenfassung macht vielleicht schon deutlich, wie dicht und komplex Nguyens knapp 530 Seiten langer Roman ist, für den er 2016 den Pulitzer-Preis erhielt. Die Geschichte vereint Elemente des Spionagethrillers, des Politromans, aber auch der Sozialkritik und des Entwicklungsromans. Zur inhaltlichen Fülle gesellt sich zudem ein ausufernder Erzählstil: Der doppelsichtige Protagonist erweist sich schon auf den ersten Seiten als sehr wortgewandt, benutzt viele Metaphern und bildhafte Vergleiche und neigt dazu, seinen Wortschwall in einen sehr hypotaktischen Satzbau zu verpacken. Hinzu kommt, dass seine Erzählung für viele westliche Leser nicht immer leicht zugänglich ist: Gerade zu Beginn und zum Ende des Romans, wenn der Protagonist sich in Vietnam aufhält und die politische Situation der 1960er bis 1970er Jahre nachzeichnet, erscheint die Geschichte wie ein wortreiches Dickicht, durch das man sich durchkämpfen muss – und dabei definitiv Wikipedia an seiner Seite braucht.
Gerade dieser letzte Punkt macht es mir unheimlich schwer, das Buch angemessen zu bewerten. Ich habe während der Lektüre durchaus viel gelernt, Der Sympathisant erhält viele interessante und erhellende Schilderungen, nicht nur über den Vietnamkrieg, sondern auch über die vietnamesische Gesellschaft und was es mit ihr macht, wenn die komplette Elite flieht. Vor allem die Passagen, die von den Integrationsbemühungen in den Vereinigten Status und den Traumata des Flüchtlingsstatus handeln, sind von beeindruckender Zeitlosigkeit und machen meiner Meinung nach die große Stärke des Romans aus. Zudem besticht der Roman trotz aller (oder gerade wegen?) erzählerischer Komplexität mit eindrucksvollen, beinahe filmreifen Szenen; die Geschichte ist dank des spöttischen und distanzierten Erzähltons der Hauptfigur gleichzeitig nicht ohne Witz und Leichtigkeit.
Dennoch war mir Nguyens Mammutwerk insgesamt zu überbordend und, ja, auch zu langatmig. Die ständige Distanz zur Geschichte, die sich einerseits durch die Erzählhaltung ergibt, aber beispielsweise auch durch die fast komplette Namenlosigkeit aller handelnden Figuren, hat mich nie richtig in der Geschichte ankommen lassen. Die Suche nach dem roten Faden, der mir hier und da einfach zu fehlen schien, ermüdete auf Dauer; vor allem die letzten Kapitel im Umerziehungslager haben mich schließlich als Leser verloren und mir stellte sich immer wieder die Frage, was mir der Protagonist hier eigentlich erzählt und warum.
Der Sympathisant ist zweifellos ein sehr lehrreiches und literarisch durchaus gekonntes Werk, das eine konzentrierte Lektüre verlangt und auch verdient. Deswegen rate ich trotz meiner 3 Sterne auch nicht von dem Roman ab und bin weit davon entfernt, ihn als schlecht zu bezeichnen. Ich habe mich im Endeffekt aber über zu viele Seiten gequält, dass ich mit einem guten oder befriedigten Gefühl aus der Geschichte hinaustrete. Vielleicht geht es anderen Lesern jedoch anders, das hoffe ich sehr!