Rezension zu "Glockengasse 29" von Vilma Neuwirth
Mit Schlagfertigkeit und einer gehörigen Portion Frechheit hat Vilma Neuwirth das Nazi-Regime überlebt und erzählt hier ihre Geschichte.
Vilma wird als jüngstes Kind einer christlichen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren, die Großeltern (beiderseits) stellen sich offen gegen diese Verbindung. Doch die Familie Neuwirth schafft es, sich ein angenehmes Leben aufzubauen, der Vater als Inhaber eines Frisörgeschäftes verdient genug zum Leben und die Mutter zaubert mit wenigem viel. Mit Nachbarn und Freunden fühlt sich die Familie verbunden, die Kinder gehen teilweise aus und ein bei Bekannten und laden sich selbst auch mal zum Essen ein. Als 1938 plötzlich die Nazis über Nacht an die Macht kommen, werden die besten Freunde zu Feinden, die Nachbarn behandelt die Familie wie Aussätzige. Das Haus wird arisiert, der Vater muss sein Geschäft schließen – nur die Wohnung bleibt der Familie, da als Erstmieter die Mutter eingetragen war.
Der Zusammenhalt innerhalb der Familie wächst, seit sie immer öfter Anfeindungen ausgesetzt werden. Besonders die Mutter zeigt Stärke und Mut, tritt der Gestapo furchtlos gegenüber und kämpft für ihre Familie. Vilma gerät durch jugendlichen Leichtsinn mehrmals in Gefahr und kann sich durch ihre Dreistigkeit und ihr schnelles Laufen immer wieder retten.
Die Biographie der Vilma Neuwirth ist eine sehr persönliche Erzählung, manches Mal musste ich sogar schmunzeln ob der Vorstellung, wie sich die kleine Vilma behauptet hat – wenngleich es natürlich eine furchtbare Zeit war, in der Denunziantentum an der Tagesordnung stand und der beste Freund ein Todesurteil aussprechen konnte.
Ein wichtiges Zeitdokument, ergänzt durch ein Vorwort Elfriede Jelineks, dem ich viele Leser wünsche. Solche Geschichten dürfen sich nicht wiederholen.