Vincent Jarousseau

 4,5 Sterne bei 2 Bewertungen
Autor*in von Die Wurzeln des Zorns.

Lebenslauf

Vincent Jarousseau, 1973 in Nantes geboren, ist Dokumentarfotograf und Mitglied des Kollektivs unabhängiger Journalisten in der der Gruppe "Les Incorrigibles". Seine Fotos werden regelmäßig in der französischen und internationalen Presse veröffentlicht. 2015 und 2016 war in der Auswahl für Visa d'or Pries für die beste Reportage. 2017 veröffentlichte er mit der Historikerin Valérie Igounet einen Fotoroman über die Wähler des Front national: "L'illusion nationale".

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Vincent Jarousseau

Cover des Buches Die Wurzeln des Zorns (ISBN: 9783896676634)

Die Wurzeln des Zorns

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Erschienen am 23.03.2020

Neue Rezensionen zu Vincent Jarousseau

Cover des Buches Die Wurzeln des Zorns (ISBN: 9783896676634)
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Rezension zu "Die Wurzeln des Zorns" von Vincent Jarousseau

ichundelaine
Gelungene Graphic Doku

Graphic-Novel meets Photodokumentation meets Front National-Wählerschaft - kann das gut gehen?

Erstaunlicher weise JA, kann es. Der Autor von Wurzeln des Zorns erzählt die Geschichte eines Ortes, der eben so gut im Osten Deutschlands oder im Ruhrpott liegen könnte. Ein Ort, der im Laufe der Zeit wirtschaftlich  abgehängt wurde und abgehängt ist/fühlt sich auch dessen Bürgerschaft, die zu über einem Drittel aus Arbeitslosen besteht und kollektiv an der Armutsgrenze vorbeischrammt. Was die Leute von Denain zudem eint, ist der Hass gegen „die da oben“ gerne wird auch gegen „Menschen am Schreibtisch“ gewettert, während man im Auto über die Grenze nach Belgien fährt, um sich dort billigen Tabak zu kaufen.  Sich Tag ein Tag aus nicht aus dem Haus bewegen, aber GESEHEN werden wollen, der Kampf mit den Behörden, die Jagd auf Angebote und die Sorge um die Kinder, das Management der Mittellosigkeit bestimmen den Alltag. Die Ansichten der porträtierten Menschen sind nicht minder Widersprüchlich als die Forderungen, die der Staat an sie stellt. Gerührt haben mich der starke Familienzusammenhalt und die Liebe, die einige der Porträtierten ihren Partnern und Kindern entgegenbringen. Gut finde ich zudem, dass hier bewusst keine Klischees bedient werden, nicht auf die Tränendrüse gedrückt und sehr unterschiedliche Menschen ausgewählt wurden. 


Jeder wird diese Dokumentation anders lesen und für jeden werden andere Fragen/Erkenntnisse daraus folgen. Manche Dinge werden den ein oder anderen triggern, sauer machen oder Mitleid aufkommen lassen. Wer seinen Horizont ein wenig erweitern möchte, dem sei diese gritty Doku-graphic-novel/Photo-Doku empfohlen. 



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Cover des Buches Die Wurzeln des Zorns (ISBN: 9783896676634)
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Rezension zu "Die Wurzeln des Zorns" von Vincent Jarousseau

thursdaynext
Der Trickle-Up Effekt oder Wer wählt denn die Populisten und Faschisten

„Die Wurzeln des Zorns“ brachte dem 1973 in Nantes geborenen Vincent Jarrousseau den Prix France Info ein. Er erzählt „Aus dem Alltag von Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht mehr zählen.“ Für diesen Fotoroman lebte er zwei Jahre lang in der kleinen nordfranzösischen Stadt Denain, die noch in den Siebzigerjahren einer der Hauptsitze der Stahlproduktion in Frankreich war. Bis die Stahlwerke und Hochöfen geschlossen wurden, die Maschinen nach China verkauft wurden und 1985 trotz Kämpfen und Protesten mit der Walzstraße auch die letzten Arbeitsplätze des Stahlstandorts von Usin-Denain in Denain stillgelegt wurden.
Ein gesellschaftskritisches Buch in Form eines Fotoromans, geht das? Mais oui! Bereits das Vorwort von Kathrin Hartmann  erläutert den Leserinnen (Männer wie immer herzlich mitgemeint) Inhalt und Absicht des Autors. Jarrrousseau selbst merkt abschließend in seinen Vorbemerkungen an: „Die Hoffnung erhält am Leben, heißt es, in Denain lebt man, das ist alles.“

 


Der im Anhang zu findende Text der Soziologin Leslie Berton- Chevallier über Immobilität ist aufschlussreich und sollte es denkenden Leserinnen unmöglich machen, die Schuld an der im Roman dargestellten Misere, die übrigens nicht auf Frankreich und die kleine Stadt Denain begrenzt ist, zu verdeutlichen. Diese Anmerkungen und Texte erweitern den Fotoroman, der allerdings bereits alleine gut für sich selbst spricht. Der Einstieg beginnt in Comicform, Frankreich hat eine deutlich reichere Comicszene als Deutschland, die schlichten in schwarz, weiß, blau und rot gehaltenen Panels, erzählen von den guten alten Zeiten, als es in Denain noch vier Kinos und alles was es zum Leben braucht, gab. Eine schöne Welt zeigte sich hier, bis es zum Niedergang kam. Die folgenden Fotografien auch in Panelform mit Sprechblasen geben den interviewten, in Denain lebenden Menschen das Wort. Kurze, sehr informativ gehaltene Steckbriefe beschreiben die Personen, deren Lebensumstände, Wünsche, Gedanken, Sorgen und Ziele dann nüchtern in stimmigen Bildern, die ihr Leben und ihre Gefühle bravourös transportieren. Jarrousseau stellt die Fragen, ohne dass man sie lesen kann,  die Antworten werden durch die  Bilder und Sprechblasen gegeben. Das hat eine Kraft, die ohne die Visualität nicht zu erreichen wäre. Vincent Jarrousseau fängt künstlerisch, aber auch pragmatisch die Welt der Menschen von Denain ein, weckt Verständnis für seine Protagonisten mittels Hineinwachsen und mitfühlenden Verstehens bei den Betrachterinnen und Leserinnen, deren Lebenswelt, so sie sich dieses Buch leisten können, doch eine ganz andere ist.
Mich hat „Die Wurzeln des Zorns“ durch seine künstlerische und handwerkliche Qualität direkt abgeholt und mir einen tieferen, respektvollen Einblick in Lebenswelten weitab der meinen ermöglicht. Der Erfolg des Rassemblement (ehemals Front) National erklärt sich hier wie auch bei den Gelbwestenprotesten, denen sich viele Bewohner Denains angeschlossen haben, wobei sie die Gewalt verurteilen. Es ist die Hoffnungslosigkeit von Menschen, die nicht mehr gebraucht werden und das sehr deutlich spüren. Immer wieder, jeden Tag aufs Neue.
Aktuell leben wir in noch schwierigeren Zeiten. Zusätzlich zur weltweiten Umverteilung des Vermögens nach oben (nennt man das dann den Trickle-up-Effekt) wird es für viele kleine Unternehmen, Kulturschaffende, Start-Ups und Selbständige jetzt ans Eingemachte gehen. Auch Arbeitnehmerinnen in vermeintlich sicheren Positionen leben im Ungewissen um die Zukunft und klar ist, dass die Steuerzahler den Staat, der die Hilfen auf den Weg schickt, finanzieren. Hier sollten alle Demokratinnen spitzfindig darauf achten, wie sich diese Hilfe gestaltet und wem sie zugute kommt.
Eine dringliche Leseempfehlung für „ Les racines de la colère“ so der Originaltitel des von Tobias Scheffel aus dem Französischen übersetzten, wichtigen und nachdenklich stimmenden Werkes zur Lage in Europa.

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