Rezension:
Violet Carpenters „Der verborgene Pfad“ ist weit mehr als nur ein typischer Fantasy-Roman. Es ist eine Einladung in eine Welt voller Magie, Melancholie und Geheimnisse. Bereits die ersten Seiten entfalten eine so greifbare Atmosphäre, dass ich mich direkt an die Steilküste Eriveas versetzt fühlte, wo die Naturgewalten unaufhörlich aufeinandertreffen. Die Beschreibungen sind so bildgewaltig, dass ich förmlich den salzigen Geschmack des Meeres auf der Zunge hatte und den Wind in den Haaren spürte.
Die Hauptfigur Jane Eldawa ist eine bemerkenswerte Protagonistin. Ihre innere Zerrissenheit, verursacht durch den Verlust ihres Zwillingsbruders Greg, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Es ist faszinierend und herzzerreißend zugleich, wie Jane täglich an den Ort zurückkehrt, an dem sie ihren Bruder zuletzt gesehen hat. Diese Wiederholung, dieser Rückzug in ihre Trauer, lässt uns tief in ihre Gefühlswelt eintauchen. Jane ist eine starke, aber auch zutiefst verletzliche Figur, deren Entwicklung im Laufe des Buches spürbar ist. Sie wirkt nicht wie eine typische Heldin, sondern wie ein realer Mensch mit all seinen Facetten und inneren Konflikten.
Carpenters Schreibstil ist poetisch, detailverliebt und doch zugänglich. Die Autorin versteht es meisterhaft, die Schauplätze und Charaktere zum Leben zu erwecken. Besonders beeindruckt hat mich die Darstellung der Natur und ihre Verknüpfung mit der Handlung. Die Küste, der „Drachenteich“ und der Wald sind mehr als bloße Kulisse – sie wirken wie eigene Figuren der Geschichte, voller Symbolik und Bedeutung.
Auch die Nebencharaktere fügen sich nahtlos in die Handlung ein. Besonders der geheimnisvolle Kayle sorgt für Spannung und wirft Fragen auf. Sein Auftauchen und seine düstere Aura bringen Dynamik in die Erzählung und lenken die Geschichte in unerwartete Bahnen. Ebenso bleibt der „Drachenteich“ ein faszinierendes Mysterium, das viel Raum für Spekulationen und Vorfreude auf die Fortsetzung bietet.
Was das Buch so besonders macht, ist die Balance zwischen Emotionen und Spannung. Der Verlust von Greg wird nicht nur als Hintergrund für Janes Geschichte genutzt, sondern ist ein zentrales Thema, das viele Ebenen der Handlung beeinflusst. Gleichzeitig bleibt genug Raum für Abenteuer, Intrigen und die Andeutung einer größeren, epischen Geschichte.
Ein kleiner Kritikpunkt ist der etwas gemächliche Spannungsaufbau. Die Geschichte nimmt sich Zeit, die Welt und die Figuren einzuführen, was gelegentlich das Tempo ausbremst. Doch genau diese Langsamkeit erlaubt es, die Atmosphäre und die emotionalen Tiefen der Charaktere voll zu erfassen.
Fazit:
„Der verborgene Pfad“ ist ein beeindruckender Auftakt, der Fantasy und Emotionen auf außergewöhnliche Weise verbindet. Mit ihrer detailverliebten Sprache und den lebendigen Charakteren hat Violet Carpenter eine Welt geschaffen, die man nicht mehr verlassen möchte. Ein absolutes Muss für alle, die Fantasy mit Tiefe und Herz suchen. Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Band und darauf, die Geheimnisse rund um Jane und den Drachenteich weiter zu ergründen!