Vivian J. Kaplan, 1946 in Shanghai geboren, erzählt aus der Perspektive ihrer Mutter Gerda „Nini“ Karpel, wie sie, ihr Bruder und die Mutter 1939 gerade noch rechtzeitig aus Wien entkommen können. Das befreundete Ehepaar Kosiner bleibt in Wien und schickt nur ihre beiden Söhne Poldi und Dolu zunächst einmal nach Triest. Dort treffen sie auf Gerda und nach langer Überfahrt treffen sie im unbekannten Shanghai ein.
Es gibt zwar zwei jüdische Gemeinden, die sind jedoch mit der Menge der ankommenden Flüchtlingen schnell überfordert. Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen, den nagenden Hunger zu ignorieren und irgendeine Arbeit sowie eine Wohnung zu finden. Durch Einfallsreichtum und Fleiß verbessert sich die Lage langsam. Gerda und Poldi werden ein Paar, betreiben verbotenen Devisenhandel und kaufen von dem Gewinn Anteile an einer Bar. Dann, überfällt Japan Pearl Harbour und die USA treten in den Zweiten Weltkrieg ein. Die japanische Armee greift China an und besetzt Shanghai, Gräueltaten inklusive. Die jüdische Community muss ihre sorgfältig renovierten Wohnung verlassen und wird in ein Ghetto gesperrt. 1945 fallen alliierte Bomben auf Shanghai und endlich kapituliert nach dem Abwurf der Atombombe im August auf Hiroshima und Nagasaki auch Japan.
Eine Rückkehr nach Wien, ist angesichts Gerdas Schwangerschaft vorerst nicht möglich. Man bleibt in Shanghai. Hier kommt 1946 Vivian zur Welt, um beinahe an Typhus zu sterben. Nur die Gabe des neuen Wundermittels Penicillin rettet das Baby. Es scheint, dass sich die Familie damit abgefunden hat, in Shanghai zu bleiben. Auch wenn sie sich nicht wirklich heimisch fühlen, sind sie doch trotz allem Mitteleuropäer geblieben Doch 1948 bricht in China der Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten unter Mao Zedong und den Nationalisten von Chiang Kai-Shek aus.
Der Exodus der Juden beginnt aufs Neue und zwingt die Familie mit der damals zweijährigen Vivian schließlich zur Auswanderung nach Kanada..
„Wir haben unsere Vertreibung überlebt, sind um den halben Erdball gereist und sind nun hier angekommen, an einem Ort, wo wir in Frieden einen neuen Anfang wagen können.“
Meine Meinung:
An Hand weniger geretteter Briefe, Dokumente, Fotos und Erzählungen rekonstruiert Vivian J. Kaplan das Leben ihrer Mutter Gerda im Wien der 1920er-Jahre bis zur Flucht und der Ankunft in Shanghai. Wir erhalten dadurch einen sehr persönlichen Einblick in eine jüdische Familie, die auf der Klosterneuburger Straße im 20. Bezirk von Wien ein Geschäft betreibt. Die Erzählperspektive, aus Sicht von Gerda, ist geschickt gewählt. Einige der erwähnten Straßennamen sind mir (als Wienerin) sehr gut bekannt. Mein Mann und seine Eltern haben Jahrzehnte in der erwähnten Klosterneubuerger Straße gewohnt.
Die Fluchtgeschichte ähnelt vielen anderen. Das Besondere daran ist jedoch, zu erfahren, wie sich Gerda, ihr Bruder Willi und ihre Mutter (der Vater ist schon 1921 verstorben) sowie Poldi in Shanghai durchschlagen. Es wird auch die Rolle von christlichen Heimen erwähnt, die jüdische Kinder unter der Bedingung, sie zum christlichen Glauben zu konvertieren, aufnehmen. Nur wenige jüdische Eltern nehmen dieses Angebot an. Soviel zur christlichen Nächstenliebe!
Das Cover ziert eine Straßenszene aus Shanghai und der bewegende Text wird durch einige Familienfotos ergänzt.
Fazit:
Gerne gebe ich dieser jüdischen Familiengeschichte, die für die meisten Familienmitglieder ein gutes Ende genommen hat, 5 Sterne.


