In seinem historischen Kriminalroman „Die Spur der Schwefelhölzer“ nimmt Volker Streiter den Leser mit in das Jahr 1847 nach Dänemark. Der Autor verwickelt den dänischen Dichter und Schriftsteller Hans Christian Andersen in eine hinterhältig geplante Mordserie und sorgt damit nicht nur für spannende Unterhaltung, sondern ermöglicht dem Leser auf diese Weise auch interessante Einblicke in das Leben und Wirken des weltberühmten Märchenautors.
Die Handlung beginnt auf der Insel Alsen im Schloss Augustenborg - Hans Christian Andersen wurde von Herzog Christian August von Schleswig-Holstein eingeladen, eine Abendgesellschaft mit seinen Geschichten zu unterhalten. Doch dazu soll es nicht kommen, denn im Schlosspark wird die Leiche eines Mädchens gefunden. Ermordet und dann mit Requisiten zur Schau gestellt, die an „Die Prinzessin auf der Erbse“ erinnern. Sofort branden böswillige Gerüchte auf, die Andersen mit dem Mord in Verbindung bringen. Andersen fürchtet um seinen Ruf und sucht - sehr zum Unmut der örtlichen Polizei - bei Nacht und Nebel das Weite. Eine dramatische Flucht quer durch das Land beginnt, denn überall, wo der Dichter Unterschlupf findet, geschieht schon bald ein weiterer Mord, der eines seiner Märchen zum Vorbild hat.
Während seiner Flucht wird Andersen von dem Diener Johann Stokkebro begleitet, der nicht nur alle Hände voll zu tun hat, den feinfühligen Dichter zu beschwichtigen und zu beruhigen, sondern gleichzeitig versucht, dem wahren Täter auf die Spur zu kommen. Verfolgt werden die beiden nicht nur von dem mit den offiziellen Ermittlungen betrauten Polizeimeister Leif Eriksson, auch der Mörder scheint immer zu wissen, wo Andersen sich gerade aufhält.
Volker Streiter hat den Kriminalfall und die damit verbundenen Ermittlungen in jede Menge Zeit- und Lokalkolorit eingebettet und so ein umfassendes, vielschichtiges und vor allen Dingen glaubwürdiges Bild des damaligen Dänemarks gezeichnet. Der Autor versteht es dabei ganz hervorragend, die Städte, Gassen und Häuser entlang Andersens Route mit Leben zu füllen. Nicht nur die Landschaft und die historischen Begebenheiten werden detailreich beschrieben, auch die Lebensumstände und die Lebensart mit den Ansichten und gesellschaftlichen Gepflogenheiten, wie sie zu Andersens Lebzeiten üblich waren, werden eingehend geschildert.
Es hat mir sehr gut gefallen, dass man die Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven verfolgen kann. Zum einen begleitet man den Diener Johann, der als Ich-Erzähler von seinen Ermittlungen und den damit zusammenhängenden Ereignissen berichtet; und zum anderen folgt man Andersen und erlebt seine Sicht auf die Dinge mit. Immer wieder rücken dabei die Befindlichkeiten des Dichters in den Fokus. Seine Verzweiflung und seine Hilflosigkeit, weil seine Märchen für die abscheulichen Mordinszenierungen missbraucht werden und man ihm deshalb Mittäterschaft vorwirft, sind durchweg greifbar. Andersen führt tiefsinnige Unterhaltungen mit seinen Gastgebern und kämpft immer wieder mit selbstquälerischen Gedanken, in denen er mit sich und seiner furchtbaren Situation sowie dem, was er in seinem Leben erreicht bzw. nicht erreicht hat, hadert. Die emotionale Verfassung Andersens hat für meinen Geschmack manchmal etwas zu viel Raum bekommen.
„Die Spur der Schwefelhölzer“ hat mir insgesamt gut gefallen - ein historischer Kriminalroman, der mit stimmigem Zeit- und Lokalkolorit zu überzeugen weiß und mir zudem interessante Einblicke in das Leben des Schriftstellers Hans Christian Andersen geboten hat.