W. B. Lincoln

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Cover des Buches Nikolaus I. von Rußland (ISBN: 9783766705648)
Bellis-Perenniss avatar

Rezension zu "Nikolaus I. von Rußland" von W. B. Lincoln

Bellis-Perennis
Zar in schwierigen Zeiten - Nikolaus I.

Diese Biografie „Nikolaus I. von Russland (1796-1855)“ aus der Feder von W. Bruce Lincoln ist eine sehr sachliche Auseinandersetzung mit einem Herrscher, der erst quasi im zweiten Anlauf Zar geworden ist.

Als Nikolaus Bruder, Zar Alexander I. plötzlich stirbt, ist eigentlich Konstantin der nächste in der Thronfolge. Doch der hat schon 1823 die Zarenwürde verweigert, was aber geheim gehalten wurde. So kommt Nikolaus zum Zug. Sein Amtsantritt wird durch den sogenannten Dekabristenaufstand überschattet, bei dem einige Regimenter, in Unkenntnis von Konstantins Thronverzicht, den Eid verweigern. Um seine Macht gleich zu Beginn zu festigen, greift Nikolaus hart durch.

In fünf Kapiteln, die noch weiter unterteilt sind, wird die Herrschaft des Zaren beleuchtet, der leider einige gravierende Fehlentscheidungen getroffen hat. Seine Nachfolger werden hier einiges auszubügeln haben.

• Prolog
• Die Genese
• Der Absolutismus triumphiert
• Der Angriff beginnt
• Entwirrung

Nikolaus ist, wie Alexander vor ihm, ein Produkt seiner (militärischen) Erziehung. Umgeben von Menschen, die häufig nur ihre eigenen Taschen und ihre eigene Machtfülle mehren wollen, ist er öfters schlecht beraten. Anstatt die Günstlinge seines Vorgängers zu entfernen, schafft er ähnliche Strukturen und bläht den Staatsapparat auf.

Im Abschnitt „das Nikolaus-System“ entsteht, wird geschildert, dass der Zar einige Reformen versucht. Mit dem Verständnis „In Russland verkörpert der Zar das Recht“ (S.108) bemüht er sich, die gerichtliche Macht der russischen Adeligen zu brechen. Hier geht er zu zögerlich ans Werk und die Autorität der Aristokratie bleibt bestehen.

Im Kapitel „Nikolas und Russlands Intellektuelle“ erfahren wir, wie stark der Zar an der Schraube der Zensur dreht. Selbst einem Zensor gehen die, eher formlos und sehr allgemein gehaltenen, Restriktionen (fast) zu weit:
„sogar das Vater Unser [könnte] als Rede eines Jakobiner ausgelegt werden.“ (S.311). 


Allerdings muss man dem Zaren zu Gute halten, dass er zu Beginn der, als Schischkows-Status“ bekannten Beschränkungen, eher das Wohl seiner Untertanen als eine Schikane derselben im Auge hatte. Dafür spricht, dass sich Dichter und Literaten wie Alexander Puschkin, Nikolaj Gogol oder Ivan Turgenenw entwickeln konnten.

Die Revolutionen von 1830 und später jene von 1848 in Europa haben großen Einfluss auf Nikolaus‘ Innen- und Außenpolitik.

1848 wird zum „annus horribils“ für Nikolaus. Einige seiner engsten Weggefährten verlassen die Welt für immer, die Cholera wütet, Missernten und Hungersnöte lassen das Gespenst der Revolution auch in Russland erwachen.

Besonders fatal hat sich Nikolaus‘ Furcht, die Jugend könnte bei einem Auslandsaufenthalt aufrührerische Idee mitbringen, ausgewirkt. Es ist der jungen Elite mehr oder weniger untersagt, im Ausland Ausbildungen zu absolvieren. Russland ist in seiner Industrialisierung weit zurückgeblieben, was sich nun im Krimi-Krieg (1853-1855) offenbart. Nikolaus hat zwar die größte Armee, die aber schlecht ausgerüstet ist.

Der Autor beschreibt Nikolaus als unermüdlichen Arbeiter, der bis zur totalen Erschöpfung, selbst auf dem Totenbett noch Briefe diktiert.

Fazit:

Eine gediegene Biografie eines Herrschers, der mit der Auswahl seiner Berater nicht immer ein glückliches Händchen hatte. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Cover des Buches Nikolaus I. von Rußland (ISBN: 9783766705648)
Wedmas avatar

Rezension zu "Nikolaus I. von Rußland" von W. B. Lincoln

Wedma
Eine starke, sehr gute, detaillierte, aufschlussreiche Biographie!

Diese Biographie „Nikolaus I. von Russland (1796-1855)“ aus der Feder von W. Bruce Lincoln habe ich sehr gern gelesen und kann sie uneingeschränkt weiterempfehlen. Sie ist so reichhaltig, mit so viel Detailreichtum und Sachkenntnis geschrieben worden, dass ich oft einfach staunen musste. Solche Biographien, diese im Jahr 1981 erschienen, werden heute selten geschrieben. Hier spielte Infotainment (noch) keine Rolle. Diese Biographie ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Regierungszeit und mit der Person von Nikolaus I., die mir viel Respekt dem Autor ggü. abverlangt und viele erfüllte Lesestunden geschenkt hat.


Erst musste ich mich an den Stil gewönnen. Das Werk ist sehr männlich geschrieben worden: sachlich, aussagestark, analysenreich, hpts. auf Politik gerichtet. Ich habe mehrere Pausen eingelegt, aber nur um die Frische der Wahrnehmung wieder zu erlangen, denn es ist viel, was auf einen zukommt. Man hat viel Text, recht klein gedruckt, auf jeder Seite, der mit vielen Details, Ursachen und Auswirkungen und anderen wissenswerten Inhalten aufwartet, und spätestens nach hundert Seiten gefangen nimmt. Als ich am Ende angelangt war, wollte ich zum Anfang gehen und da wieder anfangen zu lesen.


Nach einer Pause lese ich diese Bio nochmals. So schön und erfüllend war sie. Auch wichtig: All die Dinge, die Nikolaus I. geschafft und/oder verpasst hatte, all die Fehlentscheidungen in der Innenpolitik mussten seine Nachfolger wieder, mehr schlecht als recht, richten. Gerade hier ist es ein Paradebeispiel für den allgemeinbekannten Spruch, dass die Kinder für die Taten der Eltern geradestehen müssen.


Auf rund 450 Seiten des Textes, in vier große Kapitel aufgeteilt, plus Prolog, breitet Lincoln die Regierungszeit von Nikolaus I. vor Augen der Leser aus. Allein die Struktur zeugt von einem gut durchdachten Konzept. Die Bio beginnt mit einem opulenten Prolog von ca. 90 Seiten, gefolgt vom Kapitel „Die Genese“, in dem die Entstehung des Nikolaus-Systems und ihre Ursachen erläutert werden. „Der Absolutismus triumphiert“ erzählt von den Höhepunkten der Autokratie, Nikolaus‘ Haltung ggü. den nötigen Reformen in Russland. Auch die außenpolitischen Ereignisse und ihre Auswirkungen wie „Die Früchte der Entente in Ost- und Mitteleuropa“ sind sehr aufschlussreich und bestens, durch Analysen der Auswirkungen auf das weite polit. Geschehen in Europa geschildert worden. Nikolaus I. war zeitweise der mächtigste Mann Europas. Oft hört man bloß vom Gendarmen Europas, was er im gewissen Sinne, ferner, auch war.


Sehr gut fand ich das Kapitel „Nikolaus und Russlands Intellektuelle“, denn einerseits schuf Nikolaus ein System, bei dem man vieles nicht sagen durfte, insb. wenn es um die Schaffung der Republik und die eventuelle Beschneidung seiner Macht ging. Andererseits gab es gerade in seiner Regierungszeit eine Menge der Schriftsteller und Denker, die über die Grenzen Russlands hinaus bekannt wurden. Ivan Turgenew, der in diesem Jahr sein 200.stes Jubiläum hat, wurde der erste im Ausland bekannte russische Schriftsteller. Alexander Herzen, der es vorzog, ins Ausland zu ziehen und von dort aus in seinem bekannten Magazin Nikolaus I. zu kritisieren. Dostojewski, Gogol waren auch in dieser Zeit aktiv, um nur paar bekannte Namen zu nennen.


In „Entwirrung“ v.a. „Der letzte Akt: Der Krimkrieg“ sind auch sehr gut und aufschlussreich. Mich haben die Schilderungen und Interpretationen der Ursachen des Krimkrieges 1853-1856 interessiert, sowie Erklärungen für Nikolaus‘ I. relativ frühem Tod. So wie diese hier stehen, damit kann ich durchaus etwas anfangen.


Bemerkenswert ist auch, dass Nikolaus I. hier als ein sehr pflichtbewusster, bis zur Erschöpfung arbeitender Autokrat geschildert wurde. War er auch. Selbst im Sterben verfasste er noch mehrere Briefe. In der Biographie seiner Frau jedoch, „Die Preußin auf dem Zarenthron“ von M. Butenschön, erfährt man auch über die Seiten des Nikolaus I., die in dieser Bio ausgespart wurden, z.B., dass Nikolaus auch seine kreative Seiten hatte: Hin und wieder hatte er als Musiker und Schauspieler in den heimischen Vorstellungen mitgewirkt. Oder, dass er viele liebevolle Briefe an seine Frau geschrieben und sich um sie und um die Kinder sehr gut gekümmert hatte. Die gemeinsamen Veranstaltungen oder einfach gemeinsames Essen waren fest in seinem Tagesablauf geplant.


Man kann noch viel über dieses tolle Werk schreiben, besser, man liest es selbst.


Fazit: Eine starke, sehr gute, detaillierte, aufschlussreiche Biographie des Nikolaus I. von Russland. Die Schilderungen der Hintergründe, die Analysen, der Ausblick am Ende und die Überleitung zum nächsten Monarchen, alles hat Hand und Fuß, kann beten und singen. Sehr lesenswert!

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