Eine Aufarbeitung des ehemaligen „Staatsfeind Nr.1“ in Ägypten
Die Revolution in Ägypten, die über Wochen zu Zeiten die Welt in Atem hielt und sozusagen den „Grundstein“ vieler weiterer Auflehnungen im Nahen Osten bis heute darstellt, war zugleich auch von einer neuen Qualität der Kommunikationstechnologie begleitet, sogar mit „verursacht“. Ohne die Präsenz und Informationsverbreitung der führenden Köpfe der Opposition im Internet wäre gerade diese Revolution sicherlich undenkbar gewesen. Und Wael Ghonim war eine, wenn nicht die, maßgebliche treibende Kraft, der es gelang, die Empörung, die Wut, den Drang nach Freiheit in Ägypten einerseits auf seiner Facebookseite zu bündeln und andererseits aus den virtuellen Weiten des Net heraus mittels geschickter Strategien konkret auf die Strasse zu bringen.
Wie schon die ersten Seiten, auf denen er von seiner Verhaftung berichtet, zeigen, unter großer Gefahr für sein Leben. Über seine Netpräsenz organisierte und formierte Ghonim den Widerstand gegen das Mubarak Regime entscheidend mit und legt nun mit diesem Buch seine Sicht dieser bewegenden Zeiten Ägyptens vor.
Ein „Revolutionsinsider“, der im Buch nicht nur die technischen Vorgänge beschreibt, sondern auch minutiös das strategische Vorgehen der Aktivisten aufarbeitet (vom Aufruf zum „Stillen Widerstand“ über Meinungsumfragen im Net, von seiner Skepsis bis hin zum Glauben daran, dass tatsächlich durch die freie Kommunikation entscheidende Veränderungen herbeigeführt werden können).
Hochinteressant ist gerade das Kapitel „Vom Internet auf die Strasse“ zu lesen, weil es aufzeigt, welche verbindende Kraft die neuen sozialen Medien hervorrufen können und wie aus einem virtuellen Gedankenaustausch Schritt für Schritt tausende, dann zehntausende, dann hunderttausende sich in Bewegung setzen.
Bei diesen äußeren Beschreibungen der technischen Vorgänge der Revolution aber bleibt Ghonim im Buch bei weitem nicht stehen. Sprachlich eingängig versteht er es, das gesamte Klima seiner Generation, jener Zeit um das Jahr 2010 herum in Ägypten auf den Punkt zu bringen und damit zu erläutern, woher genau jene Wut, jene innere und dann äußere Auflehnung gegen ein seit Jahrzehnten bestehendes (und vom Westen durchaus gehätscheltes) Regime und System kam.
Genauso, wie diese Entwicklung auch für ihn persönlich galt. Auch dies liest sich intensiv im Buch, wie sich ein sicherlich selbstständig denkender, eher aber an Politik nicht interessierter junger Mann zu einem Revolutionsanführer entwickelte. Eine Entwicklung, die ihn zum Gefangenen des Geheimdienstes machte. Auch davon schweigt er nicht und öffnet in seiner einfachen und klaren Sprache einen Einblick in Methoden des Drucks, der Drangsalierung, des „Wegsperrens“, die man ansonsten nur aus Agententhrillern zu kennen meint.
„Revolution 2.0“ ist ein intensives, gleichermaßen politisches, persönliches und die Möglichkeiten der social media beschreibendes Buch, in dem Wael Ghonim den Leser umfassend über die ägyptische Revolution des Jahres 2011, ihre Ursprünge, Motive, ihre Entwicklung, Umsetzung und, letztlich, ihren zunächst Erfolg nachhaltig informiert. Ein wichtiges Buch, persönlich geschrieben und gut zu lesen.