Ein kleines Traktat über Pflanzen und dann auch in der Originalsprache Latein; wie langweilig! Langweilig? Nein, denn hier sind die Anfänge einer Literatur zu sehen, so wie wir sie heute kennen. Der Abt Walahfrid Strabo (808-849) schrieb es in einer Epoche nieder, die als die „karolingische Renaissance“ bekannt ist. Eine Erneuerung von Kunst, Architektur, Bildung und Wissen, ausgelöst durch den fränkischen König und Kaiser Karl d. Große. Meist wurden in dieser Zeit theologische Werke in mühsamer handschriftlicher Arbeit verfaßt und als kostbares Gut in den klösterlichen Bibliotheken verwahrt. Hier wird in dichter, beinahe spielerisch-andächtiger Form ein weltlicher Text zu Papier gebracht, der alle Merkmale jener Renaissance in sich vereinigt. Eine klare fast schon wissenschaftlich zu nennende Beobachtungsgabe, der Nutzen der beschriebenen Pflanzen (Botanik wurde in jenen Jahrhunderten zuallererst so verstanden, daß aus den Pflanzen die Arzneien und Tinkturen gewonnen wurden, die Krankheiten kurieren oder zumindest lindern sollten), die Schilderung und somit die Bedeutung eines behutsamen Umgangs mit ihren natürlichen Quellen sowie die Anklänge und Beziehungen zu klassischen Vorbildern im Reich der Botanik, verknüpft mit theologischen Aspekten.
Und keine Angst: Die leserische Mühe wird durch eine deutsche Übersetzung erleichtert, kombiniert mit zahlreichen Erläuterungen im Anhang. Ein kleiner Tipp am Schluß: Gönnen Sie sich eine Reise zur Klosterinsel Reichenau im Bodensee (die Insel ist UNESCO-Weltkulturerbe), wo Strabo gewirkt hat und lassen Sie sich im Kloster- und Kräutergarten der Kirche Sankt Georg einnehmen von Walahfrids Beschreibungen …