Cover des Buches Vita sancti Galli / Das Leben des heiligen Gallus (ISBN: 9783150189344)
Rezension zu Vita sancti Galli / Das Leben des heiligen Gallus von Walahfrid Strabo

Eine gar nicht so "christliche" Heiligenlegende

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Bekannteste Qualle zum Leben des St. Gallus. Sehr lesbar.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren
Irgendwie habe ich es versäumt, das Gallusjahr 2012, das man in St. Gallen mit allerlei Festivitäten breit gefeiert hat. Ich bin erst später, also dieses Jahr auf Gallus, den Heiligen gestoßen, als ich in einer Pfarrkirche ein Kirchenfenster sah, auf dem er mit einem Bären abgebildet worden war. Das machte mich neugierig. Ich entdeckte, daß es sich bei der Legende des Heiligen Gallus im Wesentlichen um eine "Erzählung" über die christliche Missionierung der Ostschweiz und ein Stück weit auch um die Zähmung der Wildnis in der Ostschweiz im 7. Jahrhundert handelt.

Die Erzählung von Walahfried Strabo, einem dem Abt des Klosters Reichenau in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, gehört zu einer der drei wichtigsten Quellen zum Leben des Gallus. Wer hier die "wahre" Vita finden will, muß allerdings enttäuscht werden, denn die Heiligenlegenden des Mittelalters erheben diesen Anspruch erst gar nicht. Wahrheit und christliche Symbolik sind hier eins, sodaß die Geschichten nicht eins zu eins gelesen werden können, wohl aber auf tatsächliches Geschehen hinweisen. Die Brutalität, mit der die Missionierung durch die iroschottischen Mönche Kolumban und seines Schülers Gallus geschildert wird, erschrickt aber dennoch und weist auf den wahren Kern der Missionierung hin, die ja nicht gerade zu den Ruhmesblatt des Christentums (aber auch nicht der anderen Abrahamitischen Religionen) gehört. Da werden beispielsweise die Kultgegenstände der keltisch geprägten Einwohner von Bregenz einfach zerstört und ins Wasser geworfen, und dann wird gejammert, daß die beiden Mönche den Ort wegen der Feindseligkeiten der Einwohner verlassen müssen - ein historischer Reflex auf die doch großen Schwierigkeiten, die das Christentum hatte, mit den Naturreligionen dieses Raumes "umzugehen". Viele andere, ähnliche Begebenheiten finden sich in diesem Text.

Aber lest doch selbst: der schmale und sehr preiswerte Reclam Band bietet sowohl die lateinische wie auch die deutsche Übersetzung an. Dort wo Erklärungen notwendig sind, wird das auch angeboten. Der Text liest sich nicht im Mindesten sperrig. Wer aber mehr historische Hintergrund will, dem sei die Gallusbiographie von Max Schär aus dem Jahr 2012 empfohlen, die bald von mir besprochen werden soll.
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