Cover des Buches Der Wind trägt die Worte - Geschichte und Geschichten der Juden (ISBN: 9783570134825)
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Rezension zu Der Wind trägt die Worte - Geschichte und Geschichten der Juden von Waldtraut Lewin

Rezension zu "Der Wind trägt die Worte - Geschichte und Geschichten der Juden" von Waldtraut Lewin

von Gospelsinger vor 12 Jahren

Rezension

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Gospelsingervor 12 Jahren
Die Geschichte der Juden und dann auch noch für Jugendliche interessant? Die Ignoranz überwinden, die zum Argwohn führt, der Angst schürt und letztlich zum Hass wird, indem man Jugendliche nicht gezwungenermaßen, sondern mit Spaß an dieses Thema heranführt? Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, welches Waltraut Lewin jedoch in diesem Buch mit Bravour umgesetzt hat. Dabei ist es nicht einmal notwendig, bibelfest zu sein und sich in seiner eigenen Religion auszukennen. Denn so ganz nebenbei erfährt man in diesem Wälzer auch noch viel über die Anfänge des Christentums und des Islams. Vom erheblichen Umfang des Buches sollte man sich nicht abschrecken lassen – das Buch ist zwar sehr dick, aber es liest sich schnell und leicht. Durch die verschiedenen Erzählarten Fakten, Berichte und Erzählungen, die jeweils in eigenen Schriftarten gesetzt sind, ist es abwechslungsreich. Auch der lockere Erzählton mit seinen Nebenbemerkungen, die immer wieder einen Bezug zum heutigen Alltag herstellen, trägt dazu bei, dass sich dieses Buch spannend wie ein Roman liest. Das Buch ist in drei Teile unterteilt: Die biblische Zeit, die Zeit der Kreuzzüge und das ausgehende Mittelalter. Am Ende des Buches erklärt ein Glossar die jüdischen Feiertage und den jüdischen Kalender. Auch die im Text erklärten jüdischen Begriffe sind hier noch einmal aufgeführt. Lewin beschreibt, wie es dazu kam, dass die Juden in alle Winde verstreut wurden und wie sie diese Situation gemeistert haben. Immer wieder mussten sie ihre Wohnsitze aufgeben, waren immer dem guten Willen der Herrscher unterworfen, mussten in Krisenzeiten als Sündenböcke herhalten. Beim Lesen dieses Buches reihen sich die Aha-Erlebnisse nur so aneinander. Wer sich schon immer gefragt hat, welchen Sinn die vielen Regeln und Verbote im jüdischen Glauben haben, bekommt hier die Antwort. Denn die einzige Verbundenheit der Juden über die weiten Entfernungen hinweg steckt in ihren Riten und Geboten. Hatte man früher einen Tempel, also einen Ort für den Glauben, wird jetzt der Alltag mit seinen Regeln zur Religion. Dazu mussten die Regeln und Gebote, deren Auslegung vorher ständig neu diskutiert wurde, schriftlich festgelegt werden. Daraus ergibt sich auch die zentrale Bedeutung von Bildung und lebenslangem Lernen im Judentum. Lewin beschreibt die vielen unterschiedlichen Spielarten des Judenhasses und die Mechanismen, die dazu führen, dass man sich, statt die eigentlich Schuldigen in der Obrigkeit anzugreifen, einen Sündenbock sucht. Diese Mechanismen bestehen bis heute, und nicht nur gegen Juden. Ein wichtiger Meilenstein ist das Jahr 1449, als aus dem Antijudaismus der Antisemitismus wurde. Wurden die Juden bisher aufgrund ihres Glaubens abgelehnt, konstruierte man sie nunmehr als eigene Rasse, was sich auch in rechtlichen Regelungen niederschlug. Hier entstanden die Vorläufer der NS-Rassengesetze, wie die Limpieza de sangre, der spätere Arier-Nachweis, und das Verbot für Christen, bei Juden zu arbeiten oder einen Juden zu heiraten. Mein einziger Kritikpunkt an diesem Buch ist, dass es kein Kartenmaterial gibt. Abgesehen davon kann ich es nur aus vollstem Herzen empfehlen, gebe es jetzt an meine Kinder weiter und freue mich auf den zweiten Band.
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