Cover des Buches Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr (ISBN: 9783328103349)
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Rezension zu Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr von Walter Moers

Somnabule Phantasie

von Miss_Cooper vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Für alle die es leiben zu träumen...

Rezension

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Miss_Coopervor 5 Jahren

Wenn Buchlinge dich begleiten, Laubwölfe, Berghutzen und Rübenzähler deine Wege kreuzen, wenn Bulloggs Angst und Schrecken verbreiten, dann ist es gewiss das dich deine Reise nach Zamonien geführt hat. Einem Kontinent den sich nur der kühnste aller Träumer erdenken konnte. Voller Geheimnisse, phantastischer Wesen und einer vielschichtigen, feingemeißelten Landschaft. Wo die Wüste aus Zuckerstaub und das Riesenhafte Gebirge aus nichts anderem als glattem, Nachtschwarzem Gestein besteht. Auf dem es einen Wald, so groß wie ein ganzes Land gibt, dass durchzogen wurde von den Halluzinogenen Netzen der Waldspinnenhexe, die alles Leben darin vernichten. Wo Mumien und Moorleichen die weitläufigen Sumpflandschaften bevölkern und Städte die absonderlichsten Bewohner beherbergen. Doch dies ist nur eine winzige Ecke aus der wilden Moers’schen Phantasiewelt. Vieles mehr gibt es in Zamonien zu entdecken, so auch in „Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr“. Doch die Reise führt nicht etwa durch einen Landstrich, sondern durch ein Gehirn, genauer gesagt durch das von Prinzessin Dylia.


Prinzessin Dylia leidet an einer der seltensten Krankheiten in ganz Zamonien. Sie ist so selten das sie nicht einmal einen Namen hat. Die Ärzte nennen sie nur „Die Krankheit“. Es ist eine Form der Schlaflosigkeit, bei der die Prinzessin mehrere Tage, manchmal sogar Wochen in einem schlaflosem Zustand verbringt. Nichts kann ihre Ruhelosigkeit lindern, doch Dylia, ganz Optimistin, kann sogar ihrer Krankheit gutes und nützliches abgewinnen. Da sie ihre Zeit nicht mit schlafen verplempert, lernt und denkt sie mehr als andere. Ihre Sinne schärfen sich, auch ihre Phantasie wird durch die ziellosen Spaziergänge durch das Schloss beflügelt und erreicht einzigartige Sphären.


„Nach nur drei Tagen Schlafentzug hörte Prinzessin Dylia bereits das Gras wachsen. Nach sechs Tagen konnte sie die Gefühle eines Pfirsichs ertasten, wenn sie über seine samtige Schale strich. Nach neun Tagen konnte sie Farben schmecken. Und nach elf Tagen schärfte sich ihr Sehvermögen so sehr, dass sie ihre eigene Hand röntgen konnte. So wäre ihr ohne Schlafentzug auch niemals die Existenz von Zwielichtzwergen aufgefallen.“


Während sie durch die Gänge wandelt, gehen ihr tausenderlei Gedanken durch den Kopf, meistens haben sie etwas mit Wörtern, Wortneuschöpfungen, oder der Sprache selbst zu tun. Denn Dylia liebt Wörter, liebt es langweilige, durch besser klingende zu ersetzen, oder eines ihrer exotischen Pfauenwörter in ihren Wortschatz einzugliedern. Am liebsten hätte sie die Sprache an sich erfunden, doch da dies nun nicht mehr möglich ist begnügt sie sich mit dem übersetzen von unterschiedlichen Texten aus den verschiedensten Regionen. Eines Nachts, die Prinzessin möchte sich gerade in ihrem Schlafzimmer ausruhen, setzt sich ein, in allen Farben schimmernder Gnom auf ihren Brustkorb und raubt ihr die Luft. Er stellt sich der verdutzten Prinzessin als Havarius Opal vor. Einen Nachtmahr der sie auserwählt hat, um sie in den Wahnsinn zu treiben.


„‚Ich bin die Biene, die hundertmal hintereinander sticht‘, begann er leise und wurde dann langsam immer lauter. ‚Ich bin der Hai, der nicht weiterzieht. Ich bin der Sturm, der dein Schicksal durcheinander wirbelt, bis kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Ich bin der Blitz, der wieder und wieder in dieselbe Stelle einschlägt. Ich bin der Nachtmahr, der nicht mehr weggeht.‘“


Dylia hält es zunächst für einen ihrer Klarträume, eine typische Folge bei einem Schlafentzug von mittlerweile achtzehn Tagen. Allerdings bleibt ein leiser Zweifel bestehen, denn für einen Traum ist dieser unverschämte Gnom mit dem monströsen Selbstbewusstsein seltsam real. Opal will sie allerdings nicht sofort in die geistige Umnachtung geleiten, er bietet ihr zunächst an, Teil von etwas aussergewöhnlichem zu werden, etwas schier unmögliches zu tun - wie etwa einen Baumstamm durch einen Strohalm zu trinken. Es soll eine Reise ins Reich ihrer Gedanken werden, zu dem Ort wo die Angst regiert, nach Amygdala, hinein ins dunkle Herz der Nacht. Um nichts in der Welt würde Dylia etwas ablehnen das sie an Erfahrung und Wissen bereichen könnte und noch bevor die Prinzessin sich’s versieht ist sie auch schon mittendrin, in ihrem eigenen Selbst. Doch bis nach Amygdala ist es anscheinend ein weiter und gefährlicher Weg. Dennoch, Opal hat ihr nicht zu viel versprochen, sie sieht Dinge die sie sich in ihren wildesten Träumen nicht hätte ausmalen können. So beobachten sie Gedanken bei ihrer Entstehung, wie sie vom Entschluss zum festen Plan werden, wie sie in Zweifelpfützen geraten und auf Gegenargumente treffen. Dylia durchquert zusammen mit dem Gnom die große Fissur, begleitet von Irrschatten, den Parasiten ihres Gehirns, die sich von der Lebensfreude ernähren und in Schwärmen für Depressionen sorgen. Sie treffen auf Zergesser und Grillos, die morbiden und schlechten Gedanken ihres Ichs. Als sie drohen in die Tiefen ihres Unterbewusstseins gesogen zu werden, scheint ihre Reise ein jähes Ende zu finden. Beide würden von da an dazu verdammt sein bis in alle Ewigkeit in Ihrem Geist festzustecken.


Hätte ich einen Wunsch frei, dann wäre es, dass dieses Buch niemals endet. Ich mache keinen Hehl darum, das ich der Moers’schen Phantasiewelt mit Haut und Haar verfallen bin und mit niemandem lieber auf Traumreisen gehe, als mit seinen Werken. Es war unglaublich mitreißend, zusammen mit der komplexen Heldin Prinzessin Dylia und dem kruden und impertinenten Nachtmahr Havarius Opal einen Abstecher durch ihr nebulöses und verflochtenes Gehirn zu machen. Verwirrend, knallbunt und wunderbar erheiternd war es in jedem Fall. Einige mir fremd vorkommende Vokabeln wollte ich tatsächlich Nachgeschlagen nur um dann feststellen zu müssen, dass sie einzig in einem Zamonischen Wörterbuch zu finden sind. Nach den ersten fünf Seiten habe ich mir die Mühe dann komplett gespart. Ich frage mich wirklich, woher in aller Welt nimmt Walter Moers seinen immensen Schöpfergeist? Stilistisch ist „Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr“ auf der selben Ebene wie seine Vorgänger, der Text ist gespickt mit Wortspielen, Anagrammen und Anspielungen - hier unter anderem auf die knöcherne und denkfaule Bürokratie. Als Typographisches Mittel wählt er verschiedene Schriftarten, sowie Schriftfarben, um bestimmte Textabschnitte oder einzelne Wörter hervorzuheben. Einzig die äußerst schönen Illustrationen in „Prinzessin Insomnia & der alptraufarbene Nachtmahr“ stammen nicht von ihm selbst, sondern von Lydia Rode, einer jungen Frau die auch Inspirationsquell für dieses Werk war. Walter Moers macht seinem Ruf als experimentellen Romancier erneut alle Ehre und verbindet Ideenreichtum, Emotionen und ein Hauch von Grusel in einem Werk.

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