Faszinierend: die Geschichte der Maria Liliana (Bibiana) Amon (1892-1966) und die Geschichte der Recherche dahinter.
Von ihrem Leben ist wenig bekannt. Sie kam aus kleinen und ärmlichen Verhältnissen und wurde, so mutmaßt der Biograf, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht. Noch als Minderjährige zog sie von Linz, wo sie geboren war, um 1909 nach Wien. Sie schlug sich irgendwie durch, wurde die Geliebte und das Modell Egon Schieles, gebar eine Tochter (nicht von ihm). Das Geld war immer knapp. Sie verdingte sich wohl als Gelegenheitsprostituierte, versuchte sich als Diseuse, verkehrte in Wiener Kaffeehauszirkeln, zunächst im Café Central, später im Café Herrenhof. Als Unterhaltung für den Literaten Peter Altenberg wurde die Achtzehnjährige mit ihm auf eine Reise nach Venedig geschickt. Er empfand sie anscheinend aber eher als Nervensäge.
„Als Altenberg den Versuch machte, den Markusplatz seelisch zu erfassen, unterbrach Bibiana den geheimnisvollen Prozess: ‚Hast net gnua von dem zugigen Hof?‘ Sie wollte beide treffen. Markusplatz und Dichterseele.“
Im Café irritierte sie Literaten und Intellektuelle mit ihrer offenen und unverblümten Art und ihrem Charme. Sie saugte Bildung und revolutionäre Ideen wie die der Psychoanalyse schnell auf. Die Verlobung mit dem Schriftsteller Anton Kuh ging nicht gut.
Franz Werfel, ein Mitglied des Kaffeehausstammtisches, zeichnet in seinem Roman „Barbara oder Die Frömmigkeit“ ein nicht sehr vorteilhaftes Portrait von ihr: Sie habe „unausgesetzt über ihre Verhältnisse gelebt“ und „sei nie im Stande gewesen, zehn Seiten hintereinander zu lesen. Das Kokain half ihr beflügelnd über diese Schwäche hinweg.“
In Berlin befreite sie sich aus toxischen Beziehungen und letztendlich auch vom Kokain. 1936 floh sie nach Paris und veröffentlichte dort einen Roman („Barrières“) - die abschätzigen Wiener Bekannten ins Unrecht setzend: Der Roman war ein Erfolg. 1966 starb sie.
Walter Schübler mag die Auspolsterung von Biographien zu biographischen Romanen nicht. Stattdessen verwendet er Passagen aus ihrem autofiktionalen Roman und setzt die von ihm recherchierten spärlichen Fakten und Zeugnisse von Zeitgenossen daneben.
Es ist also ein eindrucksvoller Roman aus den 30er Jahren und eine faszinierende Frau zu entdecken. Die besondere Schwierigkeit für Schübler lag darin, dass das deutsche Manuskript des Romans verloren ist. Er musste die für ihn wichtigen Passagen aus dem Französischen rückübersetzen. Die hochinteressante Geschichte des Romans und der Recherche ist im Anhang der Biografie nachzulesen.
Eine besondere Art der Biografik! Empfehlenswert.