François Seurel ist der Sohn eines Volksschullehrers im Norden Frankreichs. Im November des Jahres 1890 kommt der etwas ältere Augustin Meaulnes als neuer Schüler in den kleinen Ort. Obwohl die beiden völlig unterschiedlich sind, der eine still und zurückhaltend, der andere wild und ungezügelt, werden die beiden sofort zu Freunden. Auf einem Streifzug stößt Meaulnes auf das Mädchen Yvonne de Galais. Die Begegnung bedeutet einen Wendepunkt im Leben der beiden, denn Meaulnes tut alles, um das schöne Mädchen wiederzufinden.
Der Roman Der große Meaulnes des französischen Schriftstellers Henri Alain-Fournier erschien im Jahr 1913 und war in der engeren Auswahl für den Prix Goncourt. Als ein Jahr später der erste Weltkrieg ausbrach, fiel der Autor im Alter von nur 28 Jahren bei Verdun. Der große Meaulnes ist sein einziger Roman.
Die Geschichte spielt in der nordfranzösischen Provinz und wird größtenteils aus der Perspektive des Lehrersohns François Seurel erzählt. Zusätzlich enthält der Roman noch fiktive Briefe und Tagebucheinträge. Das Landleben und der Schulalltag werden alles andere als idyllisch beschrieben. So gibt es häufig gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Schülern und auch das Leben in dem kleinen Ort zeichnet sich durch harte Arbeit und Ärmlichkeit aus. Die großen Themen des Romans sind Freundschaft, Liebe und das Erwachsenwerden. Eher unfreiwillig stößt der abenteuerlustige Meaulnes bei einem seiner Streifzüge auf ein Schloss, wo zu diesem Zeitpunkt ein rauschendes Hochzeitsfest stattfindet, das mehr einem Traum zu entspringen scheint als der Realität. Dort trifft er die Schwester des Bräutigams, in die er sich verliebt.
Nach seiner Rückkehr zur Schule und seinem ungleichen Freund François, kann er sich nicht mehr erinnern wo das Schloss lag und ebenso der Weg dorthin ist für ihn unauffindbar. Fortan suchen die beiden eine Möglichkeit, das „verlorenen Land“ erneut zu finden. Und obwohl François aus der Rückschau berichtet, nimmt er gleichzeitig die Perspektive eines Jugendlichen ein. Dabei gelingt ein sehr intensives Leseerlebnis, bei dem immer das Gefühl entsteht, dabei zu sein und die Empfindungen der Protagonisten zu teilen. Die beiden Freunde stehen irgendwo zwischen Jugend und Erwachsensein, seltsam zeitlos und von einem tiefen Glauben an die eigenen Träume erfüllt. Die Kindheit erscheint fast wie ein Land der Träume, in dem sich François und Meaulnes verlieren.
Doch nach und nach verliert der Zauber des Unbekannten seinen Glanz. Der Autor verliert sich zum Glück nicht in Kitsch und Romantik. So sind einige Entdeckungen der Freunde mit Schmerz und Enttäuschung verbunden und François muss mit der Zeit erkennen, dass sein Freund, den er so gut kennt, Geheimnisse hat.
Der große Meaulnes ist ein Roman, den eigentlich jeder literaturinteressierte Mensch in seinem Leben gelesen haben sollte. Obwohl die Geschichte sich um Freundschaft und Liebe dreht, wird sie zu keinem Zeitpunkt kitschig. Eher schwebt über dem Geschehen eine gewisse Melancholie und im Falle von Meaulnes die Sehnsucht nach Abenteuern. Selten habe ich es erlebt, dass die Zeit der Jugend mit ihren Träumen und der Suche nach Glück so gekonnt literarisch verarbeitet wurde wie von Henri Alain-Fournier.