Unzulänglichkeit und Unverfälschtheit...
Und ein weiterer Debütroman für mich in diesem Jahr: „Der Kirschbaum meines Feindes“ von Wang Ting – Kuo. Und damit habe ich mir eine weitere Lektüre aus dem asiatischen Raum gefischt. Nachdem ich das Buch erstmals in Händen hielt, interessierte mich sehr die Geschichte des Autors, da es doch eher ungewöhnlich ist, dass Autoren ihr Debüt mit 60 auf den Markt bringen. Wang Ting – Kuo gab das Schreiben auf, nachdem er der Liebe seines Lebens begegnet war und somit „gezwungen“ wurde einem „ordentlichen“ Job nachzugehen. Zumindest so die Quellen, die man eben unter Google findet. Zum Glück für die Leserschaft, sei an dieser Stelle aber nun schon festgehalten, hat er sich doch ran gewagt, denn sein Roman konnte mich in vielerlei Hinsicht mehr als überraschen.
Worum geht’s? Ein Mann in seinen besten Jahren eröffnet ein Café in der Peripherie und bekommt Besuch von einem Mann. Jener Mann, Herr Luo, möchte nach diesem Besuch Selbstmord begehen. Warum? Erst Hr. Luos Tochter, kann die Wahrheit nach und nach freischaufeln. Sie besucht den Mann täglich in seinem Café, quasi als Buße für die Sünden ihres Vaters. Sie erfährt dabei die Lebensgeschichte des Mannes und bekommt einen Einblick, warum der Mann ihrem Vater nicht verzeihen kann.
Die Geschichte wird aus der Ich – Perspektive des Mannes erzählt, der das Café besitzt, dessen Namen nie erwähnt wird. Aufgemacht ist der Roman in vier Teilen, wobei der erste und der letzte in der Gegenwart spielen, während in den anderen beiden Teilen die Vergangenheit und so die Lebensgeschichte des Ich – Erzählers beleuchtet wird. Während der erste Teil noch etwas konfus und ein wenig unzusammenhängend erzählt wird, bekommen die nächsten beiden Teile einen wunderbar roten Faden und sie fesseln den Leser förmlich an die Geschehnisse, zumindest ist es mir so ergangen. Nicht nur die wunderschöne Liebesgeschichte des Ich – Erzählers macht eine Besonderheit aus, sondern seine Alltäglichkeit. Seine Wünsche, seine Träume, seine Bemühungen um ein besseres Leben. Seine Familienverhältnisse sind nicht einfach, da seine Mutter aufgrund eines Unfalls und einer schweren Kopfverletzung eine Behinderung davongetragen hat, die sie an das Haus fesselt. Der Vater ist Hilfsarbeiter in einer Schule und kann sich die Therapie der Mutter nicht leisten. Als es ihm zu viel wird, geht er ins Wasser. Der Ich – Erzähler ist geprägt von diesen Ereignissen und will es anders machen als der Vater. Als er bei einem Immobilienmarkler anheuert scheint sein Leben gemacht, bis es ihm zu korrupt wird. Gleichzeitig lernt er mit Aki auch die Liebe seines Lebens kennen. Eine unschuldige Liebe, die im Verlauf der Geschichte niemals kitschig daherkommt, sondern auch sehr alltäglich, was sie aber nicht weniger liebevoll macht. Aki ist zunächst die Unbeschwerte in der Konstellation, bis ein Erdbeben sie aus der Bahn wirft. Der Ich – Erzähler sieht Parallelen zu seinen Eltern und setzt alles daran, Aki aus ihrer Trance zu holen. Er lässt sie gewähren und muss dann auch mit den fatalen Folgen für ihn selbst rechnen.
Als Leser weiß man sehr früh in der Geschichte, dass etwas Schlimmes geschehen sein muss, da der Hass des Ich – Erzählers auf Herrn Luo fast greifbar ist. Die Begebenheiten des ganzen Romans steuern darauf zu, ohne dass sie frühzeitig verraten werden. Natürlich hat man beim Lesen so seine Verdachtsmomente. Ich muss gestehen, dass ich hoffte, dass sich der Roman nicht in einem gewöhnlichen Dreiecksdrama auflösen würde, weil dies erstens zu einem Ende geführt hätte, dass man in der Literatur schon zu gut kennt und weil dies zweitens der Roman nicht so verdient hätte, weil er dafür zu gut war. Der Autor bietet dann die dritte Möglichkeit, die für mich aber leider sehr unbefriedigend war, nämlich, dass es verschiedene Andeutungen gibt, aber keine richtige Auflösung der Geschehnisse. Es bleibt daher in gewisser Weise ein eigenartiger Nachgeschmack, da der wirklich starke Anfang und Zwischenteil das große Finale nicht ganz aufwiegen können. Die große Spannung, die durchaus erzeugt wird, kann zum Ende hin nur bedingt aufgelöst werden und die Erzählung flacht dadurch ab.