Warlam Schalamow

 4,8 Sterne bei 15 Bewertungen
Autor*in von Durch den Schnee, Künstler der Schaufel und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Warlam Schalamow, 1907 im nordrussischen Wologda als Sohn eines orthodoxen Geistlichen geboren, studierte zunächst sowjetisches Recht in Moskau. Nach seiner Verhaftung wegen »konterrevolutionärer Agitation« wurde er zu Lagerhaft im Ural verurteilt und in die Kolyma-Region um den gleichnamigen Fluss im Nordosten Sibiriens deportiert. 1956 kehrte er nach Moskau zurück, wo er 1982 starb. Bei Matthes & Seitz Berlin erscheint eine Ausgabe seiner Werke in Einzelbänden.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Warlam Schalamow

Cover des Buches Durch den Schnee (ISBN: 9783882216004)

Durch den Schnee

 (9)
Erschienen am 13.06.2013
Cover des Buches Künstler der Schaufel (ISBN: 9783882216028)

Künstler der Schaufel

 (2)
Erschienen am 01.07.2013
Cover des Buches Über Prosa (ISBN: 9783882216424)

Über Prosa

 (2)
Erschienen am 01.06.2009
Cover des Buches Linkes Ufer (ISBN: 9783882211306)

Linkes Ufer

 (1)
Erschienen am 13.06.2013
Cover des Buches Ich kann keine Briefe schreiben ... (ISBN: 9783751800754)

Ich kann keine Briefe schreiben ...

 (0)
Erschienen am 22.09.2022
Cover des Buches Wischera (ISBN: 9783957572561)

Wischera

 (0)
Erschienen am 29.02.2016
Cover des Buches Geschichten aus Kolyma (ISBN: 9783548203782)

Geschichten aus Kolyma

 (1)
Erschienen am 01.05.1997

Neue Rezensionen zu Warlam Schalamow

Cover des Buches Geschichten aus Kolyma (ISBN: 9783548203782)

Rezension zu "Geschichten aus Kolyma" von Warlam Schalamow

Der Anti-Held in einer Anti-Welt
Ein LovelyBooks-Nutzervor 7 Jahren

Neben Alexander Solschenizyn zählt der erst jüngst wiederentdeckte Warlam Schalamow zu den wichtigsten Repräsentanten einer Literatur über die Straf- und Umerziehungslager in Sibirien während der Zeit Josef Stalins. Schalamow, selbst zwei Mal Inhaftierter, schildert in einer Reihe von lose zusammenhängenden Erzählungen den Lageralltag in der Taiga: den ewigen Winter, die Gewalt und Willkür der Aufseher, den ständigen Kampf um Essen, Wärme und das nackte Überleben. Der Stil dieser Geschichten ist sehr einfach gehalten, getreu dem Motto des Autors, Authentizität und Glaubwürdigkeit zu den Kernelemente seiner Literatur zu machen. Zwar ist er nicht frei von Literarisierung, etwa wenn der Erzähler offensichtlich nicht Schalamow selbst ist, sondern ein unbekannter oder nur dem Namen nach erwähnter Gefangener. Dennoch bleibt der Autor seinem Weg treu und hält die Distanz zwischen einer literarischen Verfremdung und einer realistischen, autobiographischen Dokumentation so gering wie möglich. Es ist auch beinahe unmöglich, eine Poetisierung der Sprache anzustreben angesichts der unendlichen Schrecken und Leiden, die die Gefangenen täglich erdulden müssen. Die Geschichten gewinnen durch dieses Charakteristikum der Rhetorik. Allerdings, und dies ist vielleicht der einzige zu monierende Aspekt der Geschichten aus Kolyma, verlangt der auf mehr als dreihundert Seiten gewachsene Band dem Leser eine feste mentale Konstitution ab und führen nicht selten zu einer Erschöpfung der Duldsamkeit. So wird die Lektüre dieses Bandes, die allein schon aus Respekt den Opfern dieses Schreckensregimes gegenüber vollendet werden muss, zu einer langwierigen und anstrengenden Angelegenheit. Trotzdem, und hierin finden sich die Argumente für dieses Buch, dienen die Geschichten der Einsichtnahme und Dokumentation einer gefühlt lange zurückliegenden Zeit, die jedoch, wenn man es genau bedenkt, nur zwei Generationen vor unserer liegt. Insofern ist Geschichten aus Kolyma ein Buch, das die Lektüre verdient hat, damit die in ihm gezeigten Opfer nicht vergessen werden.

Cover des Buches Künstler der Schaufel (ISBN: 9783882216028)
Wolkenatlass avatar

Rezension zu "Künstler der Schaufel" von Warlam Schalamow

Rezension zu "Künstler der Schaufel" von Warlam Schalamow
Wolkenatlasvor 14 Jahren

Von der Grausamkeit der Menschen

Der 1907 in Wologda als Sohn eines Geistlichen geborene Warlam Schalamow hatte in Moskau "sowjetisches Recht" studiert, bevor er 1929 wegen konterrevolutionärer Agitation zu Lagerhaft im Ural verurteilt wurde, weil er 1927 auf einer Demonstration ein Schild mit der Aufschrift "Nieder mit Stalin" getragen hatte. Zwei Jahre später kehrte er nach Moskau zurück. 1937 wurde er erneut verhaftet und in die Kolyma Region im Nordosten Sibierens deportiert. Nach neunzehn Jahren in mehreren Lagern in Sibirien und nach seiner Freilassung auch als Arzthelfer in Kjubuma und als Straßenbauarbeiter durfte er drei Jahre nach Stalins Tod nach Moskau zurückkehren, wo er 1982 vereinsamt in einer Nervenheilanstalt starb.

"Es ist unmöglich, mit einem Mal fünf- oder sechshundert Gramm Brot herunterzuschlucken. Leider unterscheidet sich der menschliche Verdauungsapparat in seiner Bauweise von dem Verdauungsapparat einer Boa oder einer Möwe. Die Speiseröhre eines Menschen ist zu eng, ein Stück Brot von einem halben Kilo Gewicht lässt sich nicht auf einmal hineinschieben, erst recht nicht mit Rinde. Man muss das Brot zerbrechen und kauen - dafür vergeht wertvolle Zeit. So einem Arbeiter reißen die Ganoven die Brotreste aus der Hand, sie biegen ihm die Finger auf, schlagen ihn ..."

Noch in Sibirien, aber schon freigelassen, begann er damit, seine "Erzählungen aus Kolyma" zu schreiben. Zum Großteil kurze Erzählungen, die sich mit dem Alltag im Arbeitslager und mit der Zeit beschäftigen. Diese Erzählungen wurden von Warlam Schalamow in sechs Bände unterteilt, für die russische Gesamtausgabe 1998 in vier Bände zusammengefasst und so für die großartige Matthes & Seitz-Ausgabe übernommen.

In "Künstler der Schaufel" sind also die Bände 3 ("Künstler der Schaufel") und 4 ("Skizzen der Verbrecherwelt") der ursprünglichen Ordnung von Warlam Schalamow zusammengefasst.

Schalamows Prosa ist schnörkellos, klar, prägnant und immer im Dienst der Aussage. Auf den ersten Blick unspektakulär, entfaltet sich die Wirkung erst langsam. Eiskalt und schmucklos wie die Temperaturen in Kolyma treffen die meisten Erzählungen, fassungslos liest man die letzten Sätze der jeweiligen Erzählung und merkt, was hier alles zwischen den Zeilen steht.

"Die Ziegen, ihre Pflege, das Füttern, das Saubermachen und Melde, all das machte der Blinde selbst, und diese verzweifelte und überflüssige Arbeit war ein Akt der Selbstbestätigung im Leben - der Blinde war es gewohnt, Ernährer einer großen Familie zu sein, war es gewohnt, beschäftigt zu sein und seinen Platz im Leben zu haben und von niemandem abhängig zu sein, weder von der Gesellschaft noch von den eigenen Kindern. Er ließ seine Frau alle Ausgaben aufschreiben, die der sommerliche Verkauf der Ziegenmilch brachte ... Schon im ersten Sommer stellte sich heraus, dass das Futter erheblich teurer war als die herausgeholte Milch, und auch die Steuern auf das Kleinvieh waren gar nicht so klein, aber die Frau des Geistlichen verbarg die Wahrheit vor ihrem Mann und sagte ihm, die Ziegen brächten Gewinn. Und der blinde Geistliche dankte Gott, dass er die Kraft fand, seine Frau wenigstens mit irgendetwas zu unterstützen."

Eine der großartigsten Erzählungen aus "Künstler der Schaufel" ist "Das Kreuz", in der ein erblindeter Geistlicher täglich seine Ziegen melkt, während seine Frau ohne sein Wissen Geld verdient, da die Ziegen eigentlich ein Verlustgeschäft sind, weil ihr Futter mehr kostet, als die Milch einbringt, die sie geben. Wunderbar zärtlich führt Warlam Schalamow diese Geschichte bis zum unausweichlichen Höhepunkt.

Warlam Schalamow moralisiert nie und verurteilt seine "Protagonisten" nicht. Er erzählt, er schreibt sich die Erinnerungen in Form von Prosa aus dem Gedächtnis. Das Resultat ist ein Riesenzyklus von Erzählungen, die sich alle in irgendeiner Form mit den Fragen beschäftigen, was ein Mensch einem anderen Menschen antun kann und wie man als geächteter Überlebender solcher Grausamkeit weiterleben kann. Ein großes, ein wichtiges und menschliches Buch, ganz große Literatur.

Ausgezeichnet übersetzt und herausgegeben, mit Anmerkungen und Glossar versehen und sehr interessantem Nachwort von Michail Ryklin, ist dieser Band (wie schon die Bände 1 und 2) eine Glanztat des Verlages Mathes & Seitz im Dienste Warlam Schalamows.

(Erstveröffentlicht auf www.sandammeer.at, Roland Freisitzer; 08/2010)

Cover des Buches Durch den Schnee (ISBN: 9783882216004)
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Rezension zu "Durch den Schnee" von Warlam Schalamow

Rezension zu "Durch den Schnee" von Warlam Schalamow
Gospelsingervor 14 Jahren

Sehr bewegend. Der lakonische und schnörkellose Schreibstil bewirkt, dass die Lagerrealität nacherlebbar wird.

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