Rezension zu "Das Flüstern der Insel: Isle of Wight - Teil 2" von Wendy K. Harris
Wendy K. Harris hat viel Empathie übrig für ihre Figuren; eigentlich sind alle, bis auf Peter, den Noch-Mann der Hauptfigur Sophie, herzensgute Menschen, für deren Eigenheiten und Fehler es immer verständliche und entschuldbare Gründe gibt, die auch ausführlich beschrieben und in vielen Dialogen erklärt und besprochen werden. Die wirklich Bösen gab es in der Vergangenheit, Drogendealer, Mörder, eine Vergangenheit, die zu bewältigen Teil der Geschichte ist.
Verständnis, Achtsamkeit, Offenheit - darum geht es in den Beziehungen der Protagonisten in diesem Roman, und was vielleicht hilfreiche Maximen des Miteinanders sein können, wird beim Lesen definitiv anstrengend. In den Sophie-Abschnitten ist es Sophie, die all ihr Handeln und Reden ständig hinterfragt, um ja nur niemanden „vor den Kopf zu stoßen“ und gleichzeitig auch für sich selbst „das Richtige“ zu tun. Die anderen Abschnitte sind meist Nick gewidmet, der aber nicht als Ich-Erzähler auftritt, sodass hier auch das von außen beschriebene Innenleben der weiteren Figuren dargestellt werden kann, was großen Raum einnimmt, da fast jeder vorkommenden Person große Bedeutung zugestanden wird. Letztlich sind es für meinen Geschmack zu viele „wichtige“ Figuren, sodass man leicht den Überblick verliert.
Zwischendurch und vor allem gegen Ende wird das Ganze noch mal arg spirituell, spielt es doch an den Grenzen zwischen seriöser Psychotherapie und fragwürdigen esoterischen Methoden. Dieser gesamte Bereich - Heilung seelischer Verletzungen und innere Konflikte - nimmt auch als Hintergrundsetting einen großen Raum ein, man hat fast das Gefühl, das Buch wurde für Therapie-Insider geschrieben - oder dieses Thema interessiert die Autorin aus persönlichen Gründen.
Eigentlich ist „Das Flüstern der Insel“ ein liebevoll gedachtes Buch, mit romantischen Elementen und reizvoller Insel-Atmosphäre, das sich intensiv mit seinen Hauptfiguren und ihrer Suche nach dem Glück auseinander setzt, aber zu beflissen jedes Gefühl und jeden Gedanken seziert, sodass es an Spannung verliert und die Neugier versiegen lässt.