Rezension zu "Guck nicht, wer wir heute sind" von Wendy Nikolaizik
>> 3,5 von 5 Sternen <<
„Guck nicht wer wir heute sind“ ist ein Roman, geschrieben von Wendy Nikolaizik und erschienen beim Wreaders Verlag. Das Buch ist die Fortsetzung zu „Guck mal die Asis“ und auch wenn es nicht nötig ist, das erste Buch zu lesen, würde ich es trotzdem empfehlen.
Inhalt
Nach einem Jahr in Ungarn kehrt Debby zurück in ihre Heimatstadt, wo Farin auf sie wartet. Er hat mittlerweile mit seinem Studium begonnen und lebt in einer WG. Zu Debbys Missfallen hat er auch wieder Kontakt mit Noah, seinem ehemaligen besten Freund.
Noah, mit dem jeder Moment unendlich ist.
Noah, mit dem alles ein Abenteuer ist, der intensiv ist und mit dem die Luft nach Abenteuer schmeckt.
Noah, der konsumiert und Farin wieder mitreinzieht.
Bald schon stellt sich die Frage: Wie weit kann, darf und soll Freundschaft gehen? Und kann man jemanden retten, der nicht gerettet werden will, bevor es zu spät ist?
Die Themen sind heftig. Drogen, Konsum, Überdosis, psychische Erkrankungen, Sucht, Verlust, Tod. Gleichzeitig werden auch Themen wie Freundschaft, Liebe und Emotionen aufgegriffen. Insgesamt finde ich, dass sich die Mischung mehr oder weniger gut hält. Allerdings ist das Buch gegen Ende hin ziemlich düster und depressiv, was aber gut ist. So werden die Drogen und ihre Konsequenzen zumindest nicht beschönigt. Denn der kurze Kick, das High und das gute Gefühl ist das ganze Leid danach nicht wert. Wer Probleme mit den Themen, depressiven Texten oder schonungslosen Darstellung genannter Thermen hat, sollte das Buch aber vielleicht eher meiden.
Das Buch schafft es, einen interessanten Plot zu bieten, der zwar langsam ist, sich gerade deswegen aber auch die nötige Zeit nimmt, die einzelnen Themen einfühlsam zu behandeln. Auch die Frage nach Schuld oder ob man mehr hätte tun können wird hier sehr emotional und einfühlsam behandelt. Man kann nicht jeden retten.
Die Vibes sind dieses Mal weniger da als in „Guck mal die Asis“ bzw. es sind andere Vibes. Während GMDA eher Nacht, Sommer, Freiheit, Fragen übers Leben war, ist GNWWHS mehr Sommer, Skatepark, Drogen, Punk und Festivals. Und Pizza. Die Vibes in GMDA mochte ich persönlich lieber.
Etwas, das mich hier gestört hat, war die Darstellung der queeren Charaktere. Wieso zur Hölle, muss jeder grinsen, wenn Mar und Lasko rummachen? Es sind zwei Kerle, die sich küssen, kein achtes Weltwunder. Wenn man queere Repräsentation gut machen möchte, dann um unser aller Willen, behandelt eure Charaktere auch wie nicht-queere Menschen. Denn irgendwie haben alle nur bei Lasko und Mar jedes Mal grinsen müssen. Wenn Hadrian und Eva, Noah und Illa, Farin und Debby, sich geküsst haben, hat man selten gelesen, dass irgendjemand das so krass feiert. Daher wirkt es bei Lasko und Mar so, als wollte die Autorin ihrer Zuneigung und Liebe eine besondere Stellung geben, bloß weil sie queer sind. Immerhin wurde es nicht als Dramafaktor benutzt.
Etwas anderes, was mir nicht so gefallen hat, ist die viele Rumknutscherei und die beiden Sexszenen (wobei die von Debby und Farin nicht so explizit war, wenn ich mich recht erinnere). Ich finde es auf jeden Fall überflüssig, immer wieder zu lesen wie Person 1 Person 2 küsst und so. Aber da hat wohl jeder eigene Vorlieben.
Insgesamt muss ich aber sagen, dass mir das Buch gut gefallen hat. Das Ende ist passend und ich konnte schon früh ahnen, wie es ausgehen würde. Als es so kam, hat es mich trotzdem traurig gemacht. Es ist ein bittersüßer Abschied, der auch noch mal klar macht, dass egal wie gut es einem Menschen zu gehen scheint, es innen drin immer ganz anders aussehen kann. Und wie viel Drogen wirklich kaputt machen.
Die unterschiedlichen, unregelmäßigen POVs fand ich interessant, allerdings konnte es besonders am Anfang recht verwirrend sein.
Schreibstil
Der Schreibstil hat sich meiner Meinung nach enorm verbessert seit dem Vorgänger! Er ist flüssig, leichter zu lesen, interessanter und lebendiger. Nicht mehr so trocken und distanziert.
Gestört hat mich aber, dass immer wieder „lachen“ und „grinsen“ benutzt wurde. Jeder Charakter hat immer alles gelacht oder gegrinst, selbst wenn es Sätze waren. Hat mich teilweise, besonders in längeren Dialogen, unheimlich genervt. „Sagen“ ist kein böses Wort. Man darf es ruhig benutzen. Und wie zur Hölle grinst man bitte einen Satz? 😭
Charaktere
Farin ist wieder mit dabei und hat dieses Mal sogar einige Kapitel mit eigenem POV. Fand ich gut. Er ist nach wie vor ein einfühlsamer, egoistischer Mensch mit vielen Problemen. Er kämpft, wenn auch unbewusst, mit Schuldgefühlen wegen Felix und Karel und sogar Noah (zumindest gegen Ende des Buches). Debby gegenüber ist er immer noch sehr fürsorglich und liebend, auch wenn er sich hier mal von seiner eifersüchtigen Seite zeigt. Er hat immer noch mit seiner Sucht zu kämpfen, wenn auch nicht so eine krasse Sucht wie Noah.
Noah ist…schwierig. Ich mochte ihn und gleichzeitig auch nicht. Ich glaube er ist so ein Mensch den man einerseits lieben, andererseits aber auch hassen kann. Alles mit ihm ist intensiv. Sein POV hat mich etwas an Borderline erinnert, wegen der Stimmungsschwankungen und weil er selbst auch alles so intensiv wahrnimmt, selbst die eigenen Gefühle. Mit ihm befreundet sein ist anstrengend aber gleichzeitig auch super, weil man mit ihm einfach Spaß hat (der häufig aber eskaliert). Noah ist charismatisch und irgendwie von allem: nett, liebevoll, witzig, egoistisch, sentimental, gehässig. Bei ihm ist alles extrem. Auf jeden Fall tat er mir leid.
Debby war dieses Mal reifer. Das Jahr in Ungarn hat ihr scheinbar gut getan und sie überlegt mehr für sich selbst. Sie versucht zu helfen, behält häufig die Ruhe und die Kontrolle. Das mag ich an ihr.
Hadrian war mal wieder mein Lieblingscharakter. Der Typ ist einfach super! Lasko war ganz okay. Wie immer war er sehr ruhig. Das mag ich. Mar, im Gegensatz, konnte ich nicht leiden. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie konnte ich mich mit ihm nicht anfreunden. Illa und Eva waren ganz okay, sich gegenseitig etwas ähnlich, aber insgesamt ganz interessant.
Fazit
Besser geschrieben als der Vorgänger. Wichtige aber sehr harte und emotionale Themen werden behandelt und man trifft alte Freunde wieder. Andere Vibes, aber ein interessantes Buch, das mich etwas traurig und hoffnungsvoll zugleich zurückgelassen hat.