Cover des Buches Bronze und Sonnenblume (ISBN: 9783943314090)
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Rezension zu Bronze und Sonnenblume von Wenxuan Cao

Im Reich der Mitte

von Marapaya vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Chinesisches Märchen vom Glück des einfachen Lebens. Ein unterhaltsamer wie einfühlsamer Traum mit kritischen Tönen aus dem Reich der Mitte.

Rezension

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Marapayavor 9 Jahren
Wer kann mal eben schnell zwei, drei Klassiker der chinesischen Literatur aufzählen? Gar nicht so einfach ohne Google zu bemühen. Cao Wenxuan habe ich dann doch durch die Suchmaschine gejagt, weil ich mehr wissen wollte über den Autor von "Bronze und Sonnenblume". Sein Erzählstil ist nicht vergleichbar mit westlichen Autoren, die ich größtenteils gewohnt bin. Aus dem Bauch heraus hätte ich ihn wahrscheinlich einfach unter volkstümliches Erzählen abgelegt. Aber nach kleiner Recherche wird mir klar, wie oberflächlich dieses Vorgehen wäre und wie rudimentär mein Wissen über China ist. Wenxuans Erzählung beeindruckt mich und die Hintergrundinformationen zum Autor und zum Land, über das er für Kinder und Jugendliche schreibt, erweitern meinen engen Horizont in vielfacher Weise.

Ein weites Feld von Schilf, Getreide- und Reisfeldern, Sonnenblumen; eine wogende Landschaft durch die ein Fluss fließt, der das Schilfmeer in zwei Seiten teilt. Auf der einen liegt Gerstenfeld, ein traditionelles chinesisches Dorf, in dem die Bewohner hart für ihr Auskommen arbeiten müssen. In einigen Familien ist es die größte Herausforderung, das jährliche Schulgeld für die Kinder aufzubringen. Auf der anderen Seite des Flusses haben sich Städter niedergelassen. Sie gründen eine Kaderschule und arbeiten härter und länger als die Dorfbewohner, treffen sich nach mühevollen Stunden auf dem Feld noch zu abendlichen Sitzungen. Die Dorfbewohner und ich können recht wenig mit den Städtern anfangen. In Gerstenfeld fragt man sich, warum die Städter ihre Stadt verlassen, in der es sich viel moderner und weniger beschwerlich leben lassen soll. Die erwachsenen Städter haben ein kleines Mädchen in ihren Reihen. Sonnenblume und ihr Vater, ein bekannter Künstler mit einer großen Vorliebe für Sonnenblumen, haben nur noch sich und so lebt Sonnenblume auf der einen Seite des Flusses und ist den langen Tag über allein, schaut neugierig verschüchtert auf das wilde Treiben der Kinder von Gerstenfeld und fühlt sich jeden Tag ein bisschen verlassener. Eines Tages kommt ihr Vater im Fluss um und Sonnenblume findet in Gerstenfeld bei der Familie von Bronze ein neues, wenn auch armes Zuhause. Bronze ist ein wenig älter als sie und hat seine Stimme verloren, als ein großes Feuer das Dorf vor einigen Jahren heimsuchte. Er und Sonnenblume sind von nun an unzertrennlich. Die Familie ist arm und doch viel reicher als die meisten der anderen Familien im Dorf. Sie lieben sich, lachen und halten zusammen.

Einfach und klar erzählt Wenxuan seine Geschichte. Ein wenig Schwermut schwingt zwischen den Zeilen und der unbedingte Glaube an die heilbringende wie zerstörerische Kraft der Natur, der der Mensch auf beiden Seiten des Flusses ausgeliefert ist. Wenxuans Bilder sind kraftvoll, anmutig, empfindsam und auch grausam. Er präsentiert das Idealbild einer Familie, den Zusammenhalt dreier Generationen, das Aufstehen nach jedem Sturz. Gleichzeitig lassen sich seine kritischen Töne nicht überlesen. Die Diskrepanzen zwischen dem Leben in der Stadt und dem harten Alltag im Dorf. Ein Staat, der seinen Denkern und Künstlern den schaffenden Ackeralltag verordnet und das Bauernleben verklärt, während die wirklichen Bauern sich Bildung schlicht nicht leisten können und Jahrhunderte zwischen diesen Welten zu liegen scheinen. Wie in vielen Märchen von Hans Christian Andersen, in dessen Tradition sich Wenxuan selbst sieht, ist das Ende nicht unweigerlich ein Gutes. In mir bleiben die Bilder von wogenden Schilffeldern zurück, ein Büffel auf dem zwei Kinder reiten und eine bittersüße Traurigkeit, die mich auch ereilt, wenn ich „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ oder „Die kleine Meerjungfrau“ lese.

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