Rezension zu "Der Realitätenkellner" von Werner A. Leeb
Rundumblick der hynposystemischen Konzepte und deren vielfältiger Anwendung
1980 prägte Gunter Schmidt (der im Buch auch eine präzise und knappe Einleitung in das therapeutische Konzept gibt) den Begriff der „hypnosystemischen Therapie“, in welchem er systemisch konstruktivistische Ansätze mit den Konzepten der Hypnotherapie nach Erickson zusammenbrachte. Mit der Folge eines Therapie- und Beratungssystem und innerhalb dieses Modells eine Vielzahl an neuen Interventionen zu entwickeln, die sich in der Praxis als hilfreich erwiesen haben und weiter erweisen. Im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse legt das Konzept im Grundsatz seinen Fokus darauf, dass alle inwendigen Lebensäußerungen des Menschen (eben auch solche, die als schwierig, „schweinisch“ oder problembeladen angesehen werden) vor allem als Ressourcen zu betrachten sind, die im therapeutischen Prozess konstruktiv nutzbar sich darstellen. Gerade die unbewussten Äußerungen des „Es“ (nach Freudscher Definition) stellen somit Hinweise des Individuums auf ungenutzte Ressourcen und Kraftquellen dar, die für das Ziel einer Balance der verschiedenen „Parteien“ im Körper hervorragend genutzt werden können und die beileibe nichts „zu bekämpfendes“ darstellen.
Dem Berater und Therapeuten kommt in diesem Modell die Rolle eines „Realitätenkellners“ zu. Einer, der sehr klug darin sein sollte, „Hypothesen zu bilden und Fragen zu stellen“, der sich aber äußerst dumm zu stellen hat, wenn es um die Mitteilung „fertiger Antworten“ geht. Somit einer, der ein „Menü“ aus vielfältigen „Realitäten“ und Möglichkeiten anbietet und den Klienten bei der Auswahl der für ihn passenden Bestandteile und der „Zubereitung“ im eigenen Leben partnerschaftlich achtsam begleitet, für diese Begleitung dann vielfältige Methoden und Interventionsmöglichkeiten der Hypnose, der systemischen Arbeit oder anderer Elemente nutzt. Und dies ohne dem Klienten die Wahl des eigenen Weges abzunehmen.
Diese „ressourcenorientierte“ therapeutische Arbeit hat seit 1980 eine weite Verbreitung erfahren und wird in vielen Kontexten genutzt.
In diesem Buch nun legen dien Autoren einen geschärften und vor allem breit gestreuten Praxisblick vor, der die Grundlagen des Modells nicht ausspart.
Diese werden im ersten Teil durch einige Beiträge (Gunter Schmidt selbst gebührt die erste Einlassung) konkret erläutert. Im zweiten Teil wendet sich das Buch den Anwendungsbereichen des hypnosystemischen Ansatzes zu (u.a. bietet Anne Lang konkrete und umgehend umsetzbare Anwendungsmöglichkeiten für das Feld der Supervision, wichtig aber auch Nemetscheks Blick auf die „Balance zwischen Beruf und Familie“, ein immer drängenderes Thema, bei dem der Ansatz seine Stärken bestens zur Geltung bringen kann).
Der dritte Teil des Buches wendet sich dem immer breiter werdenden Thema des Coachings zu unter Einbeziehung der Erreichung von Spitzenleistungen auch im Sport und Management. Individual- und Teamcoaching finden hier gleichermaßen eine Darstellung und Reflektion der Praxis, die konkreten Einblick in die vielfachen Möglichkeiten des Ansatzes gibt. Abschließend folgt im letzten Hauptteil das klinischen und nichtklinischen Arbeitsfeld. Hier lohnt allein schon der Einblick, den Peter Hain in Bezug auf den Humor als therapeutische Ressource bietet.
Die Stärke des Buches beruht zum einen auf der Breite des Blicks, vielfache Arbeitsfelder werden zu Gehör gebracht, und zum Zweiten auf der einerseits klaren Beschreibung des Modells und dem dann strikt praxisorientierten Blick, der teils in hervorragender Form zur eigenen Bewertung und Integration des Ansatzes in die eigene Arbeit anregt. In anderen Teilen eher im Beriech der Allgemeinplätze angesiedelt und in manchen Beiträgen auch einfach schwer zu lesen ob einer übertrieben wirkenden Fachsprache. Zur vertiefenden Weiterarbeit liegt im Anhang des Buches ein reichhaltiges Literaturverzeichnis vor.