Rezension zu "Bestseller. Das Beispiel Charlotte Link" von Olaf Kutzmutz
Klappentext
In diesem Tagungsband fragen wir, was ein Buch zum Bestseller macht, aber wir suchen weniger nach Rezepturen für Erfolgsliteratur, sondern schauen vor allem darauf, wie sich der literarische Betrieb in den Höhen des Verkaufs darstellt und was das in unserem Fall für die Autorin Charlotte Link und ihr Umfeld bedeutet.
Wer folglich nach einer Bestseller-Formel sucht, wird sie in diesem Tagungsband nicht finden. Dafür jedoch jede Menge guter Gedanken, die sich um das Traumbild Bestseller und die (typisch deutsche) Grenze zwischen unterhaltender und ernster Literatur ranken: aus Sicht eines Verlegers, einer Agentin, eines Bestsellerforschers, einer Journalistin und eines Schriftstellers.
Meine Meinung
Der Sammelband, Dokumentation einer Tagung 2009, nähert sich dem Phänomen "Bestseller" aus unterschiedlichen Perspektiven und für Autorinnen und Autoren interessant und einsichtsreich. Herausgeber ist Olaf Kutzmutz, Programmleiter Literatur der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel.
Werner Faulstich, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Lüneburg, fragt in seinem Beitrag: "Was macht ein Buch zum Bestseller?" Nach einer knappen Einführung in die Bestsellerforschung verdeutlicht Werner Faulstich seinen Ansatz am Beispiel der Bestseller Love Storyvon Erich Segal, Der Pate von Mario Puzo sowie Und Jimmy ging zum Regenbogen, indem er das Gemeinsame der drei Romane aufzeigt. In sechs Thesen nähert er sich dem Phänomen Bestseller am Beispiel der Romane Charlotte Links. Man muss die wissenschaftliche Sprache mögen. So lautet These 4: "Die Romane rekurrieren auf eine historische Konstante der letzten zwanzig Jahre: den Pluralismus von Lebensstilen und die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Geschlechterrollen." (S. 22).
Zwei Interviews mit Charlotte Link, die Olaf Kutzmutz führte, geben Einblicke in die Anfänge der Autorin, die Rolle des Verlagsteams (nach einem Wechsel der Ansprechpartnerinnen ihres ersten Verlags wechselte Charlotte Link ebenfalls den Verlag) sowie Anforderungen und Auswüchse der Medien- und Pressearbeit. Im ersten Interview kommt Doris Brohn, die Entdeckerin Charlotte Links, zu Wort.
Mein persönlicher Favorit ist der Beitrag von Franziska Wolffheim, Journalistin und Brigitte-Autorin, die die Frage "Hat der Erfolg ein Rezept?" kenntnisreich in sechs Thesen nähert, die sie mit Beispielen unterlegt. Franziska Wolffheim geht unter anderem auf die Rolle des Marketings ein, unter der Überschrift "Bestseller wollen gemacht werden!"
"Lieber gute Unterhaltung als schlechte Literatur. Wie eine Agentin auf dem Unterhaltungsmarkt arbeitet" hat Petra Hermanns von der Agentur scripts for sale ihren Beitrag überschrieben. Amüsant und eindrücklich schildert sie die Arbeitsweise einer Agentur und die Anforderungen, mit denen Unterhaltungsautorinnen und -autoren konfrontiert werden: Der Verlag wünscht, dass du den Schauplatz des fertigen Romans von Irland nach Australien verlegst.
Nach einem Einstieg, der sprachlich anforderungsreicher als der Wissenschaftstext war, entwickelte sich "Reine Glückssache?", der Beitrag von Georg Reuchlein, Verleger bei Goldmann, btb und Luchterhand, zu einem spannenden Einblick ins Verlagsgeschäft. Neben harten Zahlen, die Autorinnen und Autoren wahrscheinlich deprimieren, zeichnet Georg Reuchlein den Weg von Charlotte Link nach. Für mich sehr lehrreich waren die Hinweise auf die unterschiedlichen Vermarktungsstrategien, die sich aus dem Verlagswechsel ergaben, und deren Folgen.
Der letzte Beitrag von Burkhard Spinnen "Ey, das ist doch U. Oder: Gibt es einen Mauerfall zwischen unterhaltender und ernster Literatur?" nähert sich der Bestseller-Frage aus eher literaturwissenschaftlicher Sicht und zeichnet die Entwicklung des Literaturbetriebs in den letzen zwanzig Jahren nach.
Mein Fazit: Unbedingt lesenswert! Nicht durch den Titel, der Charlotte Link so sehr in den Mittelpunkt stellt, ablenken lassen. Der Sammelband widmet sich - wie versprochen - der Frage, was ein Buch zum Bestseller macht. Dabei gehen die Beiträge unterschiedlich stark auf das Beispiel Charlotte Link ein.
Für mich eines der besten Bücher über das Schreiben und Veröffentlichen.